Wenn sich Winter und Vorfrühling nicht einig werden können

Text: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer

Die Meteorologen nennen es Hochwinter, wenn sie über die Zeit zwischen Mitte Januar und Mitte Februar sprechen, die Zeit des Dauerfrostes. Dies Jahr kann aber von Hochwinter keine Rede sein. Hin und wieder schneit es hier im Voralpenland, es friert nachts kaum kälter als -3°C. Tageweise wechseln dunkle Wolken und blendend heller Sonnenschein. Und auch Wind, ja Sturm gibt es reichlich. Wenn man den Gärtnern und Gartenfreunden zuhört, dann vernimmt man ihre Angst davor, dass der Winter dann sein Soll mal wieder im März und April liefert, hinein in die erste richtige Frühlingsblüte. Aber wollen wir den Teufel nicht an die Wand malen! Andere meinen, dieses Wechselbad der Gefühle sei vielleicht gut gegen die Schnecken. Welch ein Optimismus!

Der Garten zeigt sich einerseits voreilig, andererseits gebremst. Besonders eilig hatten es meine Galanthus elwesii, die türkischen Schneeglöckchen an einem sonnigen Eck im Garten. Die ersten Blüten öffneten sich bereits am 1. Januar! Den heimischen Schneeglöckchen ist die Witterung nicht ganz geheuer, sie halten sich (heute ist der 9. Februar) noch sehr zurück. Auch ist bemerkenswert, dass die Haselkätzchen noch nicht stäuben, was sie sonst oft schon im Januar taten. Seit 10 Tagen können wir uns nun auch über die Winterlinge, Eranthis hyemalis erfreuen. In geometrischer Reihe, erst eins, dann zwei bis heute 256 (?) sind sie bei Sonne offen, nachts geschlossen und immer darauf gefasst, wieder eingeschneit zu werden. Für die Bienen, die sie gern besuchen, ist es noch zu kalt. Dabei duften die Winterlinge, wenn man sich hinkniet und die Nase tief herabsenkt.

Zurückhaltung also bei den Bienen und den Haselnüssen. Auch die Frühlings-Alpenveilchen (Cyclamen coum) zeigen noch nicht einmal Knospen. Wie soll man das deuten? Eigentlich nur so: Es ist noch Winter, wenn auch einer in abgeschwächter Form.
Nun haben sich die Menschen ja drei verschiedene Frühlingsanfänge ausgedacht. Den Anfang macht meist der phänologische Vorfrühling mit Schneeglöckchenblüte, (Galanthus nivalis!) und stäubenden Haselkätzchen. Der zweite Anfang fällt auf den 1. März, weil die Meteorologen den März zum Frühling zählen. Und dann gibt es noch den astronomischen Frühlingsanfang mit der Tag- und Nachtgleiche, am 20. März um 16.34 Uhr in diesem Jahr. Für uns Gartenmenschen ist wohl der phänologische Termin der spannendste.

Vielerorts kommt die Frage, ist dieser warme Winter ein Signal der allgemeinen Klimaerwärmung? Das muss man mit Ja und Nein beantworten. Und wenn wir einen Winter mit -20°C mit Eis und viel Schnee hätten, würde ich die genauso dumme Antwort geben: Die Erwärmung des globalen Klimas wird in langjährigen Datenreihen erfasst. So hat man z.B. phänologisch registriert, dass die Holunderblüte (Anzeige des Frühsommers) zur Zeit fast 20 Tage früher beginnt als um das Jahr 1950. Wetterextreme, Hitze, Kälte, Trockenheit und große Nässe spielen in solch langen Reihen keine Rolle, sie werden statistisch ausgeglichen. Soweit das Nein. Nun aber das Ja: Mit der Klimaerwärmung werden die Witterungsabläufe immer unberechenbarer. Und so ist dieser warme Winter wahrscheinlich doch eine Folge des Klimawandels.


So, und jetzt geh' ich in den Garten. Es ist warm. Vielleicht fliegen doch die ersten Bienen.


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Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer