Düfte unter Glas

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Es ist ungemütlich draußen. Das Thermometer zeigt 0°, der Himmel ist bedeckt, ein Orkan im Anflug. Aber da gibt es ja noch das Kalthaus, das gar nicht so kalt ist, die Temperatur schwankt zwischen 5 und 8°. Öffnet man die Tür, kommt einem ein sehr süßer, mandeliger Duft entgegen, stark füllt er die Räume aus, dringt auch in das Wohnhaus ein. Es sind die Dolden der Wollmispel, die seit Ende Oktober blühen. Sie produzieren Unmengen süßen Nektars. Hält man sich auch nur kurz unter dem Baum auf, muss man sich hinterher die Haare waschen: die Blüten kleckern. Trotz dieses reichen Angebotes, an Insekten mangelt es. Die letzten Schwebefliegen und Hummeln scheinen von dem exotischen Duft befremdet zu sein, denn eine Bestäubung findet so gut wie nicht statt. Leider, denn die Früchte der Wollmispel, Eriobotrya japonica, schmecken delikat. Im mediterranen Raum wird sie allenthalben angebaut, als Ziergehölz, vor allem aber der Früchte wegen. Im Kalthaus bei uns macht sie eine stattliche Figur mit ihren riesigen, immergrünen, wolligen Blättern. Sie ist ein Geschenk gewesen, eine Dame hatte sie aus einem Kern selber gezogen. Ausgepflanzt, nicht im Kübel, wächst sie viel zu schnell, immer wieder muss ich sie stutzen, damit sie das Dach nicht abhebt.

Diese Gefahr besteht bei dem zweiten Duftproduzenten nicht. Er bevorzugt das horizontale Wachstum. Um seinen bitter-herben Geruch genießen zu können (wer es mag), muss man das graue immergrüne Laub streicheln, „wuscheln“, wie Ruth Zacharias das nennt. Die Rede ist von Artemisia arborescens 'Powis Castle'. Auch sie wurde im Kalthaus ausgepflanzt, was überdimensionales Wachstum zur Folge hat. Dieses Zwerggehölz bedeckt eine Fläche von 100 x 150 cm und ist auch optisch eine Freude. Ich gäb was drum, wenn diese Artemisia etwas winterhärter wäre, oder unser Winter etwas milder. Sie wäre im jamlitzer Sand eine ideale Ergänzung für Stauden und Gräser. So aber müssen wir uns draußen mit Artemisia absinthium begnügen, auch silberlaubig, aber nicht in die Breite wachsend. Der Duft, das herb-bittere Aroma ist mit „Powls Castle“ identisch. Von beiden lässt sich ein scheußlich bitterer Tee herstellen, der eine Wohltat für den verdorbenen Magen ist. Man vermutet, dass „Powls Castle“ eine Hybride zwischen dem winterharten Wermut Artemisia absinthium und der aus Kreta stammenden Artemisia arborescens ist, die natürlich in unseren Wintern total versagen würde.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text und Fotos: Christian Seiffert