Willkommen im Artenreich

Wer einen Garten hat, bekommt Besuch. Hummeln summen im Mohn, Eichhörnchen hopsen von Ast zu Ast. Meisen und Amseln fliegen in den Garten und wieder weg, frei wie der Wind. Abends schlurft ein Igel vorbei. All das zu erleben und zu beobachten ist einfach schön. Jedes Tier ist ein Geschenk. Vor allem, weil es nicht mehr selbstverständlich ist, im Mai Maikäfer zu sehen und im Sommer Schwalben.

In den folgenden Beiträgen möchten wir einige Tiere näher vorstellen: glitzernde Rosenkäfer, majestätische Kreuzspinnen, buntgefiederte Gartenvögel, Froschkönige, Eidechsen und Schmetterlinge. Als Symbolfiguren und Sympathieträger. Ja, alle Tiere sind gleich viel wert, alle haben ihre Rolle in den Nahrungsnetzen der Natur. Aber es ist nun mal menschlich, ein Faible für Schönheit zu haben, und Sie sollen diese Texte ja auch lesen. Jede Wanze und jedes Würmchen ausreichend zu würdigen, dazu gibt’s zu viele.

Das Schöne an den »Flaggschiffarten«: Wenn Sie sich um diese besonderen Tiere bemühen, segelt in ihrem Gefolge die ganze genauso wichtige Krabbel- und Kriechtierschar ebenfalls in günstigen Gefilden.

Was allen hilft

Mit ein bisschen Wildnis zu gärtnern. Viel mehr als zum Beispiel möglichst viele Tierhotels aufzustellen. Zirbelholzhütten für Igel oder getöpferte Krötenkugeln gehen am Bedarf vorbei und vor allem Insektenhotels sind oft nur gut gemeint statt gut gemacht.  Mehr als zwei Drittel aller Wildbienenarten nisten nicht in Holz oder Ziegelsteinen, sondern am allerliebsten im Boden, in losem Sand, lehmiger Erde oder zwischen Pflasterfugen. Ein etwas wilder Garten, aufgestockt um Totholzstapel, Steinhaufen, Benjeshecke und Stellen mit loser Erde ist das allerbeste Insektenhotel, mehr noch: der allerbeste Lebensraum für alle wilden Gartentiere. Mit einer gewissen Unordnung kommt nämlich der Zufall mit ins Spiel. Rinde, Laub, Baumstücke, Äste und Zweige schön durcheinander bietet kleine Schlupfwinkel für Spinnen und Käfer, feuchte Ecken für Molche und Kröten, größere Höhlen für Spitzmäuse, Igel und Co. So gut wie man es gar nicht nachbauen kann und wie eine Igelburg,  ein Marienkäferhotel, einen Florfliegenkasten niemals haben wird.

Mit einer Ausnahme. Nistkästen hat man nie genug. Auch wenn es oft heißt, man solle nicht zu viel aufhängen, dann blieben welche leer. Das stimmt gleich zweifach nicht. In der Natur kommen solche Höhlen in Felsen vor oder in steinalten Bäumen. Die gibt es immer weniger; sie lassen sich auch nicht einfach herzaubern. Denn bis ein Baum groß und alt und zerklüftet und schrundig ist, vergehen viele Jahrzehnte. Besser als dass höhlenbrütende Vögel wie Meisen oder Stare im Frühjahr keinen Platz fürs Nest finden ist es bleiben einige Nistkästen frei; erstens. Und zweitens bleiben sie meistens gar nicht frei: Höhlen werden ja nicht nur für Vogelnester gebraucht. Auch Fledermäuse oder Siebenschläfer, Hummeln oder Hornissen nutzen sie, für den Nachwuchs, zum Überwintern oder zum Schlafen.

Lassen Sie im Herbst verblühte Stauden und strohige Gräser einfach stehen, das macht weniger Arbeit. Und den Garten artenreicher. Gut möglich, dass Kreuzspinnenmuttis ihre Kokons daran gepappt haben. Hier verbringen die minikleinen Babyspinnen zusammengekuschelt den Winter. Wenn es im Frühling dann warm wird, krabbeln sie heraus, ein wuseliges Gewimmel, bis sich jede von ihnen einen Flugfaden gesponnen hat und in die weite Welt hinausschwebt. An Pflanzen oder im Laub überwintern auch Heuschrecken als Ei oder als Larve, genauso wie unzählbare andere Arten, vom Schmetterling bis zum Marienkäfer. Wird das herbstliche oder spätwinterliche Beeteabräumen gründlichst erledigt, landet die neue Insektengeneration in der Biotonne, bevor sie ins Leben starten konnte.

Das übliche Gartenjahr hat viele solcher wiederkehrende Arbeiten. Oft machen wir es einfach, weil man es eben so macht. Dabei ist das meiste gar nicht nötig und für einen artenreichen Garten sogar falsch. Rasenmähen zum Beispiel. Wenn der Rasen ein bisschen länger ist, können Klee,  Gänseblümchen und Taubnesseln blühen, dann freuen sich auch Wildbienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge. Er ist außerdem deutlich robuster und grüner, egal ob gerade Dürre herrscht oder Überflutung.

Lassen Sie außerdem Milde walten gegenüber sogenanntem Unkraut und Ungeziefer. Sollten Sie etwas loswerden wollen, dann nur mechanisch, nicht chemisch. Gift gegen bestimmte Tiere oder Pflanzen schädigt immer alle anderen auch. Egal was auf der Packung steht.

Wer Wasser im Garten hat, ob als Teich, Pool, Miniteich, tut seinem Garten und den Tieren etwas Gutes, es verändert das Kleinklima, bietet noch mehr Lebensraum und Trinkwasser; Vogeltränken, Vogelbäder und Insektentränken brauchen Sie dann nicht. Wasser ist das Element des Lebens. Aber auch eine tödliche Gefahr. Wichtig ist deshalb, dass wer immer hineinfällt, auch wieder raus kommen kann. Teiche brauchen einen Flachwasserbereich, auslaufend wie an jedem Strand. Wannen und Becken sichert man am besten mit einer Treppe aus Steinen, die so gestapelt sind, dass sie aus dem Wasser bis an den Rand führen: Igel, Vögel oder Mäuse würden sonst in den oft glattwandigen Gefäßen ertrinken. Auch ein Holzbrett, wie eine Rampe hineingelegt, funktioniert gut. Ein weiteres Brett kann der Mitte schwimmen, wie ein Rettungsfloß für Hummeln, Fliegen und Wespen. Auch Insekten können von der Wasseroberfläche nur schlecht wieder starten. Auf einem Stück Holz können sie trocknen und dann geht es wieder.

Lichtschächte und Treppen können ebenfalls zur Falle werden: Igel, Kröten, Eidechsen und andere Kleintiere hüpfen oder fallen die Kellertreppe runter, oder in den Lichtschacht des Kellerfensters. Raus und hoch kommen sie nicht mehr. Es sei denn es gibt einen Notausgang: Ein langes Brett, etwa 20 cm breit, wie eine Rampe im Kellerschacht oder an den Rand der Treppe gelegt, genügt.

Gärten sind besondere Orte, ein Zwischending von Wildnis und Wohnzimmer. Wir Menschen haben diese Stückchen Natur vom Universum nur geliehen und sollten es auch so behandeln. Das Schöne: im Garten können wir unmittelbar anfangen, etwas zu verbessern. Flächenversiegelung, Braunkohleabbau, Glyphosateinsatz – das können wir nicht einfach so verhindern, verändern. Aber auch im kleinsten Garten kann ein Stück Zaun zur Hecke werden, der Rasen zur Blumenwiese, sogar im Hinterhof passt ein Haufen Laub in eine Ecke oder ein Vogelhäuschen an die Wand. Dann blüht und lebt immer etwas, egal, was Wetter und Klima machen: Im wilden Heckensaum wuseln Spitzmäuse, im Rosendickicht nistet ein Zaunkönig und im Laubhaufen verbringt unser Zitronenfalter den Winter. Wenn wir rausschauen können wir uns verbunden fühlen mit den Spinnenfrauen, den Eichhörnchen und dem dicken Nashornkäfer. Das macht Freude, das macht zufrieden. Ein Gartenparadies, das ein Tierparadies sein darf, ist auch ein Blütenparadies. Und ein Menschenparadies.