Der Vorfrühling im oberbayerischen Auenwald
Text: Christian Seiffert
Fotos: Christian Seiffert und Staudengärtnerei Gaißmayer
Vergleicht man die ersten Vorfrühlingsäußerungen in den mehr oder weniger sonnigen Gärten mit dem Geschehen im Auenwald, so stellt man fest, dass es in den Gärten deutlich früher zu treiben beginnt. Die direkte Sonneneinstrahlung erwärmt den Boden, Wind trocknet ihn, Steine und Mauern speichern Wärme und strahlen sie wieder ab. Die Gehölze des Auenwaldes sind zwar noch lange kahl, dennoch wird die Sonnenstrahlung gebremst. Die Luftbewegung ist geringer als draußen in der offenen Landschaft. Und der Boden ist viel länger feuchter und damit kälter als auf den Äckern und in den Gärten.
Schließlich aber blüht auch im Auenwald die Haselnuss und eröffnet den Vorfrühling. War der Boden nicht fest gefroren, dann konnten sich die Märzenbecher bzw. Frühlingsknotenblumen, Leucojum vernum, auf ihre große Zeit vorbereiten. Sie sind dann, je nach Witterungsverlauf für 14 Tage bis zu 3 Wochen zu Füßen der Laubbäume absolut tonangebend. Verteilt über das ganze Auenwaldgebiet begeistern sie Jahr für Jahr vor allem die Sonntagnachmittags-Spaziergänger.
Was Märzenbecher und Schneeglöckchen unterscheidet
Die Blüte von Leucojum vernum:
Sechs gleichgroße Blütenblätter, glockig geformt, sind jeweils mit einem grüngelben Fleck versehen. Die Schneeglöckchen, Galanthus nivalis, mit denen Märzenbecher gern verwechselt werden, haben auch sechs Blütenblätter, die drei inneren sind aber zu einer kleinen Krone vereint, mit grünen Punkten verziert, während die drei äußeren weit abgespreizten und spitzen Blütenblätter keinen grünen Fleck tragen und makellos weiß sind. Auch kommen Schneeglöckchen und Märzenbecher in unterschiedlichen Lebensbereichen vor. Während Märzbecher einen ganzjährig feuchten Boden mögen, bevorzugen Schneeglöckchen den etwas trockeneren Laubwald. Dort vermehren sie sich nicht nur vegetativ, bilden also dickere Stände, sondern samen sich auch reichlich aus. Und so ist es auch mit den Märzenbechern, wenn sie feucht genug stehen, gibt es auch in den Gärten eine Fülle von Sämlingen. Für die Verbreitung ihrer Samen sorgen Ameisen.
Wie aber kommt ein Schneeglöckchenstand in den Auenwald? Da es völlig allein dort steht und schon ziemlich umfangreich ist, hat es sich nicht durch Samen vermehren können. So muss vermutet werden, dass sich ein Pflanzenfreund dachte: in den Auenwald da passen auch Schneeglöckchen. Er betätigte sich, wohl unbeabsichtigt, als Naturverfälscher, doch ohne merklichen Erfolg.
Im nächsten Beitrag über den Auenwald zeigt der Erstfrühling, was er floristisch zu bieten hat.
Text: Christian Seiffert
Fotos: Christian Seiffert und Staudengärtnerei Gaißmayer