Reinhold von Sengbusch, Beruf Züchter

Text: Christian Seiffert
Fotos 1-3: Adobe Stock Photos
Foto 4 Reinhold von Sengbusch: Quelle: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin, VI. Abt., Rep. 1 Sengbusch, R. v., Nr. 2
Foto 5 Gelbe Lupine (Lupinus luteus), Illustration von Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé: Quelle: Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Illustration_Lupinus_luteus0.jpg

 

Man kommt aus dem Staunen nicht heraus: Die Lupinen haben die Lebensmittelläden erobert. Ob Bioladen oder Supermarkt, die Lupine ist da, als Kaffee, als Mehl, als Schrot, als Fleischersatz, als Ei-Ersatz usw. Vor 100 Jahren wäre das unmöglich gewesen, die Lupinen waren hochgiftig und sehr bitter, dienten in der Landwirtschaft nur als Zwischenfrucht, waren als Viehfutter ungeeignet. Auf dem Acker taten sie aber gute Dienste als Bodenverbesserer und Nitratsammler. Seit 1929 jedoch gibt es bitterstoff- und giftfreie Lupinen. Ist da ein Wunder geschehen?

Dass Lupinen hochwertige Eiweiße enthalten, aber dennoch als Rinder- und Schweinefutter ungeeignet sind, das rief die Pflanzenzüchter zur Tat auf. Es musste doch möglich sein, die Lupinen von den Giftstoffen zu befreien?! Es geschah am Kaiser Wilhelm Institut für Züchtungsforschung in Müncheberg, östlich von Berlin. Leiter war Erwin Baur (Erfinder bzw. Züchter der Jostabeere = Johannes- x Stachelbeere), Mitarbeiter war der junge Dr. von Sengbusch, der sich davor züchterisch mit Zuckerrüben befasst hatte. Um bei den Lupinen zum Ziel zu kommen, war die Auslese die einzig denkbare Methode. Als Voraussetzung entwickelten Baur und Senkbusch eine Schnelltestmethode, mit der man bitterstofffreie oder -arme Pflanzen finden lassen. Danach begann die mühselige Arbeit: Drei Jahre lang wurden 1,5 Millionen gelbe und blaue Lupinen bzw. ihre Samen getestet. Das Ergebnis war ernüchternd. Nur je drei Pflanzen wurden gefunden (0,0001%!). Diese wenigen Pflanzen aber reichten aus, um bereits 5 Jahre später »Süßlupinen«-Saatgut in größeren Mengen zu erzeugen. Bevor es aber soweit war, mussten den Lupinen noch andere negative Eigenschaften »ausgetrieben« werden: u.a. die Dickschaligkeit und das frühzeitige Platzen der Schoten. Doch dann waren in sehr kurzer Zeit aus Wildpflanzen richtige Kulturpflanzen geworden, eine Arbeit die sonst Jahrzehnte dauert.

Unter Ackerlupinen versteht man drei Arten, die aus Südeuropa, Nordafrika und der Türkei stammen, Lupinus luteus, die gelbe, L. angustifolius, die blaue und L. albus, die weiße. Alle drei Arten sind einjährig – im Unterschied zu den schönen staudigen Gartenlupinen, deren Heimat Nordamerika ist.

Nun existierten also die Süßlupinen. Aber obwohl eiweißreicher als Soja, und trotz ihres hohen Vorfruchtwertes, war ihnen kein Siegeszug beschieden. Auch jetzt, nun als wertvolle Nahrung für die Menschen verfügbar, bereiten sie Schwierigkeiten. Unzuverlässige und niedrige Erträge lassen die Biobauern manchmal verzagen. Sie vor allem bauen ja die Lupinen an. Ursache der Unzufriedenheit sind mehrere Pilzkrankheiten, vor allem die Anthraknose, die seit 1995 ihr Unwesen treibt. Der Schmuck der sandigen Brandenburger Felder war die Gelbe Lupine. Noch 1995 konnte man gelbe Lupinenfelder sehen und ihren Duft genießen. Das hörte leider schlagartig auf. Die blaue und die weiße Lupine scheinen etwas widerstandfähiger zu sein. Auch haben sich bei Vergleichen einige Sorten als weniger empfindlich erwiesen: eine Herausforderung für die Resistenzzüchtung.

Zurück zu Professor Dr. Reinhold von Sengbusch. Über diesen äußerst erfolgreichen Züchter findet man im Internet und auf der Website der Max-Planck-Gesellschaft ausführliche Berichte. Er war ein vorausschauender Züchter. So hat er sich intensiv mit dem Hanf befasst, hat Sorten mit hohem Faseranteil und mit besonders langen Fasern gezüchtet. Ausgebremst wurden diese Sorten durch den Kunstfaserboom und gegenwärtig durch das Anbauverbot. Dabei ist Hanf eine vielseitige und erstklassige Kulturpflanze. Voll in der richtigen Zeit waren seine Arbeiten mit Erdbeeren. Es war sicher die Lebensmittelindustrie, die den Anstoß gab. Man begann bald nach dem Krieg mit dem Einfrieren von Obst und Gemüse. Sengbusch schuf eine Erdbeere, die man frosten konnte. Dass er damit einen Welterfolg schuf, war nicht absehbar. 'Senga Sengana' war bald in aller Munde, 1952 kam sie in den Handel, von  Spanien bis Russland wurde sie bald angebaut. Sie stellte sich als anspruchslos und ertragreich (weniger im zweiten Anbaujahr) heraus. In den 1960er Jahren hatte sie einen Marktanteil von fast 80 Prozent.

1967 machte ich mein erstes Landfunk-Interview. Mit wem? Mit Sengbusch. Es ging natürlich um die Süßlupinen und warum sie eigentlich kein Erfolg wurden. Als ich ihn besuchte, sortierte es gerade Karpfen, d. h. er suchte nach Tieren, die möglichst wenige lose Gräten im Muskelfleisch hatten. Die Karpfen wurden geröntgt, und die grätenarmen Tiere sollten zur Freude der Fischgenießer einen neuen grätenarmen Stamm bilden. Wieder Auslesezucht, wie bei den Lupinen.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text: Christian Seiffert
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Foto 4 Reinhold von Sengbusch: Quelle: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin, VI. Abt., Rep. 1 Sengbusch, R. v., Nr. 2
Foto 5 Gelbe Lupine (Lupinus luteus), Illustration von Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé: Quelle: Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Illustration_Lupinus_luteus0.jpg