Duftende Rosenblätter
Ein Beitrag von Wolfram FrankeEinmal im Jahr halte ich Vorträge auf den »Hohenstoffeln Kräutertagen« in der Duftpflanzen-Gärtnerei Syringa in Hilzingen-Binningen nahe Singen am Hohentwiel. Einer der Mit-Referenten ist Michael Schwerdtfeger promovierter Biologe und Kustos des Alten Botanischen Gartens der Universität Göttingen, der ja auch Autor in diesem Gartenmagazin ist und den Heike Sicconi in ihrem Gartenradio vor kurzem interviewt hat.
Hinauf zum Hohentwiel
In diesem Jahr saßen wir an einem Sonntagmorgen Ende Mai im Hotel beim Frühstück. »Wir haben doch noch ein paar Stunden Zeit bis zu unseren Vorträgen«, sagte Michael. »Darf ich dich einladen zu einem kleinen Ausflug auf den Hohentwiel? Dort gibt es interessante Magerrasengesellschaften...«. Ich schlug ein.
Wir fuhren auf einer schmalen Straße den Hohentwiel hinauf, stellten das Auto auf halber Höhe ab, und dann schritt »Schwerti« (sein Spitzname) so eilig voran, als könne er es gar nicht erwarten, die botanischen Schätze zu erreichen, die er dort zu finden hoffte. Schließlich bei einer Magerwiese angekommen, wich er immer wieder vom Weg ab, entdeckte hier einen Schmalblättrigen Lein dort den Ährigen Ehrenpreis, dann eine Pfingstnelke... Nahezu im Sekundentakt fand er immer wieder ein anderes Kleinod, wobei er jedes Mal einen Laut der Freude ausstieß und mich herbeirief, um mich an seiner Begeisterung teilhaben zu lassen. Ehrlich gesagt, ohne ihn hätte ich diese meist winzigen Pflänzchen glatt übersehen. Aber so konnte ich mich mit ihm an dieser Vielfalt der Pflanzenschätze erfreuen.
Die Schnupperprobe
Nach ein paar weiteren Schritten erreichten wir eine üppig gewachsene Rose, die dort am Wegrand blühte. Eine Wildrose, die, wie ich meinte, einer Hundsrose ähnlich ist. »Schnupper mal dran«, forderte er mich auf. Natürlich steckte ich meine Nase in eine Blüte. »Nein, nicht an der Blüte an den Blättern!« Ich strich mit beiden Händen über die Blätter einer Triebspitze und schnupperte. Ein intensiv fruchtiger Duft stieg mir in die Nase. Ich tippte auf Pflaume. (Mein Geruchssinn ist nicht besonders fein ausgeprägt). Doch Michael brachte mich drauf: »Apfelschorle!« Ich schnupperte noch einmal und nun konnte ich es bestätigen: »Tatsächlich: Apfelschorle!«
Die echte Apfelrose
Einer Rose mit nach Apfelschorle duftenden Blättern bin ich vorher noch nie begegnet. Dabei wusste ich, dass die Kartoffelrose fälschlicherweise als Apfelrose bezeichnet wird. Doch zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich nie bemüht hatte, herauszufinden, welche denn die echte Apfelrose sei. Man nennt sie auch Schottische Zaunrose, botanisch Rosa rubiginosa.
Ein bereicherndes Erlebnis an jenem Sonntagmorgen. Wir wanderten weiter rund um den Vulkankegel, welcher der Hohentwiel ja ist, genossen den Ausblick bis auf den Bodensee und fuhren zurück in die Gärtnerei »Syringa« wo wir im Lauf des Sonntags unsere Vorträge hielten.
Aus einer Hagebutte gezogen
Wieder zuhause, machte ich am Montagmorgen meine Runde durch unseren Kreativgarten. Als ich dann an der Rabatte vor der Hecke entlang ging, stutzte ich: »Das ist sie doch!« Ich trat an die Wildrose heran, strich über die Blätter und schnupperte. Tatsächlich, auch diese Rose duftet nach Apfelschorle. Ich habe also die echte Apfelrose im Garten. Warum ich das bis dahin nicht wusste?
Meine Frau hatte bei einem Besuch der Mainau auf der »Promenade der Wild- und Strauchrosen« eine Hagebutte aufgelesen und daraus im Topf diese Rose herangezogen. Die pflanzte ich vor die Hecke an den Rand des Gartens. Für uns war sie halt eine Wildrose, deren Namen wir nicht kannten. Am schönsten fanden wir die leuchtend roten, länglichen Hagebutten, die diesen Rosenstrauch im Herbst und den ganzen Winter hindurch schmücken, sonst hatten wir dieser Rose keine besondere Bedeutung beigemessen.
Die Reize der Rosen
Doch dieses Erlebnis hat mich in meiner Meinung bestärkt, dass man Rosen nicht allein nach ihrer Blüte beurteilen sollte. Viele Wildrosen tragen bis in den Winter hinein zierende, oft leuchtend rote Hagebutten. Andere, wie die Rosa inermis 'Morletti' zeigen im Frühjahr einen reizvollen rostroten Austrieb, auch die jungen, stachellosen Triebe schmücken sich mit einer rote Rinde. Nach einer frühen und langen Blüte färben sich auch ihre Blätter im Herbst rostrot. Oder die Stacheldrahtrose (Rosa omeiensis 'Pteracantha'): Wie bei einem Stacheldraht sind die Triebe dicht mit Stacheln besetzt, die an den jungen Trieben gegen die Sonne betrachtet glutrot leuchten. Auch die Ramblerrose 'Albertine' weist eine – in zweierlei Hinsicht – reizvolle Bewehrung auf.
Aber nur die echte Apfelrose duftet nach Apfelschorle!
Text und Fotos: Wolfram Franke