Alte Gemüsesorten: Samenfest und delikat

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Mit Catalogna hatte ich ein wunderbares Erlebnis: Catalogna ist ein Pfücksalat, ein delikater Zichoriensalat mit leicht bitterer Note – frei von Blattläusen und Mehltau.

Da ich nicht zu den Gärtnern gehöre, die ihr Gartenland im Herbst grobschollig umgraben, blieben ein paar Catalogna-Pflanzen nach der Ernte bis in den Winter hinein stehen. Sie waren bis zu einem Meter hoch, nur ein kleiner Blattschopf und ein paar gelbe Korbblütchen waren geblieben. Dass sie Samen bildeten, beachtete ich zunächst nicht. Erst im nächsten Frühjahr, als ich den Boden für eine neue Aussaat vorbereiten wollte, fand ich rund um diese alten Strünke winzige Sämlinge vor. Ich pikierte sie auf ein anderes Beet. Da ich aber noch nicht abschätzen konnte, wie sie sich entwickeln würden, säte ich aus der Tüte genau die gleiche Sorte Catalogna nochmals daneben aus.

Doch kaum war diese Saat aufgegangen, machten sich die Schnecken darüber her, die pikierten Sämlinge der Selbstaussaat ließen sie jedoch stehen. Nachdem sie gewachsen waren, verpflanzte ich diese Setzlinge. Sie wuchsen zu kräftigen Salatpflanzen heran, die auch in ihrem Aroma und Geschmack denen des Vorjahrs in nichts nachstanden. Das war ein Schlüsselerlebnis! Seitdem lasse ich immer ein, zwei kräftige Catalogna-Pflanzen im Herbst blühen und Samen bilden. Den ernte ich dann ganz gezielt und säe ihn im Dezember kurz vor dem Jahreswechsel aus. Der aus dieser Saat keimende Pflücksalat wird regelmäßig von Schnecken verschont. Dieses von mir alljährlich wiederholte Experiment gelingt nur, weil Catalogna keine F1-Hybride ist, sondern eine samenfeste Sorte. Nur deshalb kann ich diesen Pflücksalat aus mehreren Pflanzen selektieren und erhalte jedes Jahr die gleiche zuverlässige Qualität.

Ein gegenteiliges Erlebnis hatte ich vor einigen Jahren mit der Tomatensorte Philovita, einer F1-Hybride. Sie wurde von Kiepenkerl als resistent gegen Braunfäule angepriesen. Ich säte sie aus, zog kräftige und gesunde Pflanzen heran und erhielt schließlich reich tragende, wohlschmeckende Cocktail-Tomaten. Darüber unterhielt ich mich mit einem Profi-Biogärtner. »Schade, dass es sich dabei um eine F1-Hybride handelt, so kann ich sie ja nicht selber vermehren«, sagte ich. Der Biogärtner lachte: »Ich habe das ausprobiert, von Philovita Samen abgenommen und ausgesät. Dabei ist genau dasselbe herausgekommen. Kiepenkerl schreibt nur F1 auf die Tüte, um die Sorte vor Nachbau zu schützen«, meinte er.

Das wollte ich genau wissen. Von der kräftigsten meiner Philovita-Pflanzen nahm ich Samen ab und säte ihn im nächsten Jahr aus. Tatsächlich: Die Pflanzen waren kräftig, gesund und trugen reichlich wohlschmeckende Früchte. Von denen nahm ich wieder Samen ab und säte ihn im darauffolgenden Jahr aus. Sie wuchsen wieder kräftig heran, hingen voller Früchte, doch geradezu über Nacht waren die Pflanzen und Früchte von der Braunfäule befallen. Sie waren nicht mehr zu retten.

Besser sind meine samenfesten Tomatensorten, allen voran meine Lieblingssorte Humboldtii. Wenn sie in seltenen Fällen mal Braunfäule bekommt, dann im November, wenn die Pflanzen abgeerntet sind. Humboldtii ist der Philovita ähnlich, doch ich vermehre sie bereits seit Jahren immer wieder aus den kräftigsten und am reichsten tragenden Pflanzen.

Darüber hinaus habe ich es in meinem Garten auch mit anderen alten Schätzen probiert, wie dem »Teltower Rübchen«. Wie der Name sagt stammt es aus Teltow südlich von Berlin, wo es in einem kargen Sandboden bestens gedeiht. Nur einer Handvoll von Teltower Hobbygärtnern ist es zu verdanken, dass diese Delikatesse, für die schon Johann Wolfgang von Goethe geschwärmt hat, erhalten blieb. Seit der Wiedervereinigung baut sie eine Bioland-Gärtnerei wieder gewerbsmäßig an.

Dass all diese Schätze erhalten blieben und heute wieder ihr Comeback feiern, ist einigen engagierten Gartenfreundinnen und -freunden und Vereinen zu verdanken. So zum Beispiel der Arche Noah in Schiltern nahe Krems (Österreich). Diese Initiative ging 1990 aus den niederösterreichischen Samenpflegevereinigung sowie der Steierer Verein Fructus hervor. Gründerin war Nancy Arrowsmith. Seit 1997 ist am Schloss Schiltern ein reichhaltiger Schaugarten mit alten Kultursorten zu besichtigen, und immer wieder finden dort Veranstaltungen und Märkte statt. Außerdem unterhält die Arche Noah seit 2002 einen Versuchsgarten beim Schloss Haindorf mit 6.500 alten Sorten sowie eine botanische Sammlung, es ist das größte Samenarchiv im deutschsprachigen Raum.

Nancy Arrowsmith hatte mit einem Freundeskreis auch die Zeitschrift kraut&rüben gegründet, Untertitel: »«Magazin für biologisches Gärtnern und naturgemäßes Leben«. Zunächst sind nur zwei Ausgaben des Blattes im DIN-A-5-Format im Orac Verlag Wien erschienen. Dann stellte der Verlag die Zeitschrift ein. Durch das Engagement von Marie-Luise Kreuter nahm es der blv Verlag München in sein Programm auf. 1989 entschied sich dessen Geschäftsleitung, das Blatt monatlich und im großen Magazinformat erscheinen zu lassen. Ich wurde zum Chefredakteur berufen, der ich dann 20 Jahre lang für kraut&rüben verantwortlich zeichnete. Marie-Luise Kreuter begleitete das Blatt bis zu ihrem Tod 2009 als Herausgeberin.

Dank der Arche Noah und anderer Initiativen wie Dreschflegel, VEN und VERN in Deutschland und Pro Specie Rara in der Schweiz sind viele wertvolle alte und vor allem samenfeste Kultursorten erhalten geblieben. Sie können von jeder Gärtnerin, jedem Gärtner leicht weiter vermehrt werden.

 

Wolfram Franke
aus Vaterstetten Handfeste Gartenarbeit und Schreiben, sowohl mit grüner Tinte als auch mit dem Computer, gehören für Wolfram Franke zusammen. Seinen seit 1994 gewachsenen Kreativgarten in Vaterstetten hat er mit alten Baustoffen gestaltet.
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Text und Fotos: Wolfram Franke