Wicken-Wonne

Text: Angelika Traub
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer

Gibt es eigentlich jemanden, der vom nostalgischen Charme der liebenswerten Duftwicken (Lathyrus odoratus) nicht begeistert ist? Schwer vorstellbar – und irgendwie ist es ihnen seit 300 Jahren offensichtlich gelungen, nie aus der Mode zu kommen!

Nachdem um 1700 der sizilianische Mönch Cupani die ersten Samen der Wildform mit ihren braun-magenta-purpurnen Blüten nach England schickte (die köstlich duftende alte Sorte 'Cupani' ist der Urform recht ähnlich und wurde deshalb nach ihm benannt), dauerte es nicht lange, bis die ersten Züchtungen von Samenhändlern angeboten wurden. Den eigentlichen Durchbruch und ihre ganz große Zeit aber erlebte Lathyrus odoratus unter Königin Victoria. Besonders als Schnittblumen waren Wicken bis ins 20. Jahrhundert hinein hochbegehrt. Bereits vor 120 Jahren konnte das gesamte Farbspektrum bis auf Gelb züchterisch als erobert gelten, immer großblütigere, wüchsigere Sorten wurden auf dem berühmten Blumenmarkt am Londoner Covent Garden präsentiert.

Eine herrliche, nur in England vorstellbare Exzentrizität ist die noch heute existierende, 1901 gegründete »National Sweet Pea Society«, die nach wie vor durch Ausstellungen, Tagungen und Veröffentlichungen für das Objekt ihrer Leidenschaft wirbt. Die Popularität zu Königin Victorias Zeiten ging sogar so weit, dass 1911 vom »Daily Mirror« ein Preis in Höhe von 1000 Pfund – einer damals wahrlich astronomischen Summe – für den schönsten Duftwicken-Strauß ausgelobt wurde. Unter sage und schreibe 38.000 Bewerbern musste eine Jury den Sieger ermitteln! So viel Wicken-Verrücktheit ist hierzulande denn doch nicht vorstellbar, aber natürlich haben die »Sweet Peas« (süße Erbsen), wie sie liebevoll in England genannt werden, auch hier die Herzen der Gärtnerinnen und Gärtner erobert.

Den traditionsliebenden Engländern und natürlich besagter »Sweet Pea Society« ist es auch zu danken, dass viele der stark duftenden historischen Sorten nach wie vor erhältlich sind. Mit den Namen der Züchtungen wurden meist verdiente Gärtnerinnen geehrt. Darunter die alte Sorte 'Miss Willmott', benannt nach dem einst wohlhabenden und für ihren außerordentlich schönen Garten berühmten Fräulein Ellen Willmott, das später verarmte und, wunderlich und skurril geworden, durch eine weitere Pflanze in Erinnerung blieb. Sie liebte es, reichlich Samen der sehr attraktiven, aber auch überaus verbreitungsfreudigen Edeldistel Eryngium giganteum unbemerkt in Gärten auszustreuen – ob das wohlwollend oder arglistig geschah, werden wir nicht mehr ergründen können. Jedenfalls führt die dekorative zweijährige Distel deshalb bis heute den Beinamen »Miss Willmott's Ghost«.

Zurück zu den Wicken: Sie erweisen sich als unermüdlich blühende Sommergäste, wenn man weiß, dass sie kalkliebend sind und warme, nährstoffreiche, mäßig feuchte, aber durchlässige Böden lieben. Man gebe ihnen einen sonnigen (aber nicht gnadenlos heißen!) bis absonnigen und vor Zugluft geschützten Platz.

Man kann sie vorziehen, aber am besten gedeihen die Schönen, wenn sie ab April an Ort und Stelle ausgesät werden, so kann sich ihr tiefreichendes Wurzelsystem von Anfang an optimal entwickeln. Wichtig ist die richtige Saattiefe (etwa 5 cm) und das vorherige Wässern der Samen über Nacht. Ein guter Tipp ist es, die aufgelaufenen Sämlinge früh zu entspitzen, um eine Verzweigung und damit üppige Blütenpracht zu erhalten. Auch das Anhäufeln der jungen Pflänzchen mit reifem Kompost wirkt Wunder, lässt sie zusätzliche Wurzeln bilden und besonders tüchtig durchtreiben. Dann bleibt nur noch, für eine Rankhilfe oder einen Platz am Gartenzaun zu sorgen und auf die Blütezeit zu warten. Unbedingt sollte man sich, wenn es soweit ist, regelmäßig duftende Sträußchen für die Vase holen! Denn neben dieser Zusatzfreude gilt: Je mehr geschnitten wird, umso eifriger werden neue Blüten gebildet. Die Fruchtschoten entfernt man frühzeitig, denn ihr Ausreifen würde die Pflanzen zu viel Kraft kosten und ihnen vor allem signalisieren, dass sie das Blühen ruhig einstellen können, weil die Samen bereits reifen. Übrigens: Auch in (ausreichend großen und hohen) Pflanzgefäßen auf Balkon und Terrasse machen sich Duftwicken ganz wunderbar!

Bei Sommertrockenheit wird kräftig gegossen und hin und wieder wegen des hohen Nährstoffbedarfs der fleißigen Blüherinnen gedüngt. Dann kann wirklich nichts mehr schiefgehen und die zauberhaften nostalgischen Duftwicken erfreuen uns einen ganzen Sommer lang.

Unser Tipp: Eine sehr reizvolle historische Duftwickenmischung bietet die Gartensparte von manufactum an, die unseren gemeinnützigen Illertisser Verein »Förderer der Gartenkultur e.V.« mit einer Fördermitgliedschaft unterstützt.

Noch mehr »Wicken-Wonne« kann man sich übrigens mit den staudig wachsenden Vertretern der Gattung dauerhaft in den Garten holen. Ihre Blüten duften zwar leider nicht, aber an Schönheit stehen sie der einjährigen Verwandtschaft nicht nach. Schon zeitig im Jahr blühen die niedrig bleibenden Sorten der hübschen Frühjahrsplatterbsen (Lathyrus vernus), während die rankenden, bis zu zwei Meter hoch werdenden Stauden-Wicken (Lathyrus latifolius) ihrer stattlichen Größe und der über Monate anhaltenden sommerlichen Blütenpracht noch kraftvoll entgegenwachsen.


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Angelika Traub
Aus dem Forsthaus | Angelika Traub betreut Redaktion und Lektorat unseres Gartenmagazins. Sie lebt und gärtnert am Rande des Sollings. Im großen Landschaftsgarten mit seinen weitläufigen Staudenpflanzungen und vielen besonderen Gehölzen kann sie...
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