War was?
Ein Beitrag von Andreas BarlageSo eine Dachterrasse ist eine feine Sache … sie hat aber auch ihre Tücken. Immerhin lernt man nie aus als Pflanzenliebhaber, und in jedem Garten muss man sich sowieso an die Gegebenheiten zwei, drei Jahre anpirschen, ehe man ungefähr abschätzen kann, was geht und was nicht.
So auch als »Pöttchengärtner«.
Dass unser gutes 60 Quadratmeter großes Schmuckstück von Wind umtost wird, hatte ich ja bereits mal ausgeführt. Dieser »Palast der Winde« lässt beileibe nicht nur kopflastig bestückte (vorzugsweise trockene) Gefäße reihenweise purzeln. Auch alles, was irgendwie aufgehängt ist (tibetische Gebetsfahnen, eine lichtreflektierende Metallsonne, ein Vogelhäuschen oder – wie sinnig – Windspiele …), wird vom Haken gezerrt. Und das Ganze erfolgt bei wirklich jedem Temperaturwechsel. Wird es deutlich kühler oder wärmer, müssen wir gießen, Sicherungsmaßnahmen ergreifen, Sonnenschirme einklappen und hängen die Deko ab.
Nach einem Winter lassen sich noch weitere Schlüsse ziehen hinsichtlich der Kübeleignung unserer Pflanzen. Um es gleich zu sagen: Wir haben nur die nicht winterharten Zwiebel- und Knollenpflanzen wie Gladiolus callianthus, Eucomis, Crinum und Dahlien rechtzeitig vor den Frösten in Sicherheit gebracht … und natürlich die beiden großen Oleanderbüsche (aber nur die drei Wochen, in denen es wirklich bitterkalt war). Allesamt erfreuen sie sich beim Wiedereinpflanzen und -aufstellen bester Gesundheit.
Aber was war mit den Stauden?
Hier gibt es Dinge zu vermelden, die den Stauden zur Ehre gereichen, mir als Gärtner aber nicht. Ich musste bei einer herbstlichen Umpflanzaktion Purpurglöckchen Heuchera sanguinea 'Leuchtkäfer' und Gaura lindheimeri aus den Töpfen holen und hatte sie an die Hauswand gelegt. Irgendwie kam ich auf die Idee, die Pflanzen mit einer Plane zu bedecken … mit dem festen Vorsatz, sie spätestens nach einer Woche wieder in neue Gefäße zu setzen. Aus der Woche wurden dann drei Wintermonate … manchmal bin ich total vergesslich. Aber – oh Wunder! Sie muckten so gar nicht, sondern taten, was sie sonst auch tun und trieben aus … der kleine 'Leuchtkäfer' blühte sogar noch vor den Eisheiligen auf. Zur Nachahmung nicht empfohlen, aber vielleicht zum Staunen über die Vitalität dieser Staudenarten.
Erfreulich vermehrungsfreudig waren übrigens die Nachtkerzen Oenothera odorata 'Sulphurea', denn es fanden sich in der Hälfte aller Gefäße Sämlinge von ihr, die wir dann nach Gusto verteilen konnten. Die "Blüten-Beleuchtung" von Sommernächten, die uns letztes Jahr so viel Freude gemacht hat, ist also gesichert. Beeindruckend sind auch die Polsterphloxe (Phlox subulata), die wir in zwei Ausführungen haben. Keine Pflanze wuchs so üppig und blüht so wolkenhaft reich im April und Mai. Allerdings war das Ausfieseln der kleinen abgestorbenen Triebe eine Geduldsarbeit, und die nadelartigen Blätter pieksten wie feinster Stacheldraht. Da ich auf Handschuhe beim Gartenarbeiten grundsätzlich verzichte, musste hier die gute Handcreme her.
Recht schön haben sich bei uns die Polsternelken (Dianthus gratianopolitanus) entwickelt; sie sind wie eine »Bank« wenn es darum geht, die Blütenlücke zwischen dem Frühlings- und Sommerflor zu schließen. Aber zugegeben, diese ist hier im milden Badischen sowieso nicht besonders groß, immerhin blühen bereits ab Mitte April (!) bei uns die ersten Rosen auf.
Allerdings gibt es auch Opfer zu beklagen: Lilien. Ausgerechnet mein Liebling 'Pink Perfection', die im ersten Standjahr drei Wochen lang majestätisch den Ton auf der Terrasse angab, segnete das Zeitliche. Vielleicht liegt es daran, dass ich sie im Spätherbst umpflanzen musste. Die Zwiebeln waren zu meinem Entzücken sehr groß herangewachsen und hatten schon Wurzeln. Ich muss ungeschickterweise zu viele davon abgerissen haben – vermutlich waren das Zuwenig der Wurzeln der Grund des Desasters und ging einher mit dem Vernässen des Substrates. Die unberührten Königs-Lilien (Lilium regale) kommen nämlich kraftvoller als im ersten Jahr wieder und ich kann schon deren Knospen zählen. Mit anderen Worten: Lilienpflanzplatz oder Topf einmal gut überlegt aussuchen und dann die Pflanzen in Ruhe lassen; dann wird es gut gehen.
Völlig verblüfft hatte mich die Winterhärte von Löwenmäulchen (Antirrhinum majus), die ich vergangenes Jahr ausgesät hatte. Bei einem der Gefäße hatte mein Herzensgatte darauf bestanden, dass ich diese Pflanzen nicht im Herbst herausreiße. Natürlich habe ich mich daran gehalten. Und die wenigen Frosttage in Karlsruhe haben ihnen in keiner Weise geschadet. So blühten Ende April neben den spätesten Tulpen und dem kleinblumigen Flieder (Syringa meyeri 'Palibin') auch die frühesten Löwenmäulchen. Sonderbare Gartenbilder ergeben sich so – aber keinesfalls unsympathische. Löwenmäulchen habe ich übrigens wieder in der Saatkiste, und sie wachsen heran … wie gewohnt als Superminikeimlinge, die man wohl am besten mit einer Stricknadel pikiert…
Ah, ehe ich es vergesse noch ein Wort zu den Tulpen. Es ist sehr interessant zu beobachten, welche Sorten sich bei starker Wärme am besten halten. Und das Ergebnis ist eindeutig: 'Murillo Mix' hatte bei mir die beste Substanz unter den Züchtungen. Bei den schönen Wilden teilen sich Tulipa whittalii und Tulipa bakeri 'Lilac Wonder' den ersten Preis: Sie schafften es, trotz brütender Hitze, volle zwei Wochen schön zu bleiben. Und für die Statistiker unter den Lesern: Die allererste Tulpe in meinem Kübel-Dachgarten war Tulipa humilis 'Persian Pearl' (Anfang März) und die allerletzte erstaunlicherweise Tulipa batalinii 'Bright Gem' (Anfang Mai). Jetzt knoble ich herum, welche Tulpe noch früher oder später blühen könnte … eine nette Beschäftigung im Hochsommer…
Text und Fotos: Andreas Barlage