Get Wild!
Ein Beitrag von Andreas BarlageEs ist jedes Jahr dasselbe: Ich kann mich nie entscheiden, welche Blumenzwiebeln ich setzen soll. Oder besser konnte. Mit nun fast 50 Jahren bilde ich mir ein, das eine oder andere im (Gärtner-!)Leben begriffen zu haben und gehe nun planmäßig vor. Immerhin habe ich ja nun einen neuen Garten und will alles besser machen als je zuvor. (Jaja, Barlage ist nun unter die Schrebergärtner gegangen und trägt nun seit März regelmäßig recht fruchtbaren Bielefelder Lehmboden unter den Fingernägeln nach Hause...). Wenn ich richtig gezählt habe ist es nun, eingerechnet des elterlichen Gartens, der siebente eigene Garten, den ich aufbaue. Da dürfte doch wohl etwas Gärtnerweisheit hängen geblieben sein.
Diese ist aber, wie gesagt, stets im Herbst aufs Neue durch Leichtsinn gefährdet, denn meine ausgeklügelten Gartenkonzepte in Sachen Stauden und Rosen werden immer gern durch die stets aufflammende Begeisterung für Blumenzwiebeln über den Haufen geworfen. Offen gestanden hatte ich gehofft, im Frühling in meinem neu erstandenen Garten ein kleines Meer an Krokussen, Narzissen, Traubenhyazinthen und Schneeglöckchen im Garten begrüßen zu dürfen. Aber er war überraschend leer. Drei (sic!) Krokusse, etwa sechs Osterglocken und drei Apeldoorn-Tulpen sowie vereinzelte Traubenhyazinthen ließen sich blicken. Sehr ernüchternd. Mein liebender Gatte hatte Mitleid mit mir und so zuckelten wir in den Schrebergarten, den er selbst unlängst aufgegeben hatte und entnahmen dort (mit Einverständnis von Manuela, die diesen Garten nun bewirtschaftet) hekatombenweise Schneeglöckchen, um sie dem Pflaumenbaum zu Füßen zu legen. Um nicht in weitere frühlingshafte Depressionen zu verfallen, besorgte ich mir einige blühende Pöttchen-Schönheiten im April und nahm mir fest vor, im Herbst bei den trocken gehandelten Blumenzwiebeln zuzuschlagen.
...und nun ist es soweit. Ich habe mir ein Budget gesetzt, das ich unbedingt einhalten will, denn ich neige dazu, alle flüssigen Geldmittel in Pflanzen anzulegen mit dem Ergebnis, dass ich zu Weihnachten nur Gutscheine oder selbst Gebasteltes verschenken kann. Dieses Jahr soll es nicht (ganz) so weit kommen. Aber auf der anderen Seite werde ich immer schwach angesichts des verführerischen Angebotes...
Also höre ich das erste Mal auf meinen Kopf. Immerhin habe ich mir im Frühling und Sommer die „must haves“ notiert. Und ganz weit vorne landeten Blumenzwiebeln, die verwildern können und hinreichend wühlmausfest sind. Keine einfache Aufgabe, denn einer meiner Favoriten sind eindeutig Krokusse. In den Nachbargärten treten sie in wahren Massen auf und ich hoffe inständig, dass die hier ansässigen Wühlmäuse Krokusse verschmähen. Ich werde es also wagen den Elfenkrokus (Crocus tommasinianus) zu setzen. Mir schweben die Bilder von Blütenmassen vor Augen und so müssen es mindestens 200 Stück sein. Hier und da mogle ich noch 20 bis 50 Stück von anderen Farben ein, etwa die Elfenkrokus-Sorte 'Roseus', den cremefarbenen 'Cream Beauty' oder den weißen, außen lilafarbenen 'Prins Claus' – beides Formen von Crocus chrysanthus. Die oft angebotenen Mischungen „botanischer Krokusse“ liebe ich nicht besonders. Zum einen finde ich die Bezeichnung abscheulich, denn im Grunde genommen ist jede Blume „botanisch“. Zum zweiten ist mir das Ganze dann meist zu bunt und unruhig, denn mit unfehlbarer Sicherheit pflanze ich auch kleine und große gemischt blühende Trupps, da ich nicht in der Lage bin die Arten nach den Knollen sortieren zu können. Getrennt gepackte Sorten geben mir das Gefühl genau unter Kontrolle zu haben, was ich wohin setze – und das liegt mir in diesem Fall mehr.
Bei den Krokussen wie auch bei anderen verwildernden Blumenzwiebeln denke und handle ich in großen Zahlen. Knickern kann ich ja immer noch bei den Tulpen, die auch in 10er Tuffs nie ihre Wirkung verfehlen – auch wenn ich mir eine Wiese von 100 'Heart's Delight' umwerfend vorstelle. Die Vorstellung sie alle in Drahtkörbe zu verpacken schreckt mich aber ein wenig ab. So bleibe ich denn doch lieber bei wühlmausfesten Massenpackungen.
Narzissen beispielsweise werden von den gefräßigen Untergrundguerilleros in Ruhe gelassen. So nutze ich diesen Nichtangriffspakt und sehe mich bei ihnen um. Meine Lieblingssorten können Sie im Extrabeitrag auf diesem Internet-Portal nachsehen und es ist natürlich Ehrensache, dass sie alle in meinen neuen Garten einziehen – in 50er Packs, wenn’s recht ist.
Aber da waren ja noch die anderen schönen Wilden. Wer einmal eine große Gruppe von Schachbrettblumen (Fritillaria meleagris) hat blühen sehen, wird meine Begeisterung für sie leicht verstehen. Hier gefällt mir eine Mischung der unterschiedlich kariert sowie weiß blühenden Sorten nicht schlecht, aber mit einer kleinen Extraportion separat verpackter weiß blühender 'Albas' erhöhe ich gern den Anteil der lichten Blütenglöckchen im Geschehen. Selbstverständlich kommen sie mir auch nicht unter einer Zahl von 50 Stück über die Schwelle.
Bei den Traubenhyazinthen (Muscari) kommt mein Vorhaben, nur wühlmausresistente Zwiebeln zu pflanzen wieder ins Wanken. Es ist schon so, dass sie in einigen Gärten unbehelligt bleiben, in anderen hingegen nicht. In „meiner“ Schrebergartensiedlung finden sich die blauen Massenblüher in allen Gärten, in meinem eigenen nun zumindest in Restbeständen auch. Es reizt mich schon, eine Megapackung der üblichen blauen Farbe zu erstehen und hier und da hellere Farben – zartblau oder weiß – in 20er Tuffs einzustreuen, um den Grundton noch mehr zum Strahlen zu bringen. 'Album' und 'Peppermint' könnten für diese Erleuchtung sorgen.
...und dann sind da noch die neuen Sorten vom Schneeglanz (Chionodoxa), die ich einmal in Holland habe blühen sehen und die mich nicht mehr loslassen. Diese Pflanzenart war mir vorher gar nicht präsent, aber die ziemlich großblumigen, sehr reich und lange blühenden Sorten 'Blue Giant' und 'Pink Giant' gehen mir einfach nicht mehr aus dem Sinn. So wie ich mich kenne, werde ich es trotz dräuender Wühlmausgefahr einfach mal wagen, sie zu setzen. Vor allem ein rosa Blütenmeer etwa neben meinen beiden frisch gepflanzten Magnolien (...ich konnte nicht anders und musste eine Magnolia stellata sowie die ganz neue, sehr dunkle 'Genie' im Garten haben...) dürfte beeindruckend sein... die blauen kommen dann zur Forsythie.
Kassensturz: Mein Budget ist von den charmanten Wildlingen, die durchaus auch eine züchterische Geschichte haben, sich aber dennoch mit den Jahren sehr stark ausbreiten werden, voraussichtlich aufgebraucht. Vielleicht hier und da noch ein feingliedriges Hyazinthchen 'Pink Festival', einen Trupp Kaiserkronen (...ich kann den Sorten mit gestreiften Blättern nicht widerstehen) oder eine spektakuläre Tulpe (...ich habe eine Schwäche für Lilienblumer wie 'Fly Away' oder dunkle Sorten wie 'Negrita'...) – es geht nicht ohne Inkonsequenz. Doch den Fokus lege ich dieses Mal auf die Massenblüher und gehe bei ihnen in die Vollen. Immerhin ist das eine Investition für Jahre und Jahrzehnte mit der der Einzug des Frühlings frenetisch gefeiert werden will. Ein Opernchor besteht ja auch nicht nur aus 10 Sängern...
Text und Fotos: Andreas Barlage