Vita Sackville-West

Text: Editha Weber

Foto 1: Quelle: Wikimedia Commons: Vita on holiday in Bangor, Wales
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9f/Vita_in_childhood2.jpg

Foto 2: Quelle Wikimedia Commons: Sissinghurst garden, Kent, UK
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9d/Sissinghurst.jpg

Foto 3: Quelle Wikimedia Commons: Gemälde (Öl auf Leinwand) von Philip Alexius de Laszlo: The Honourable Victoria 'Vita' Sackville-West
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b7/Laszlo_-_Vita_Sackville-West.jpg

Wer Gärten liebt, wird früher oder später vom Sissinghurst Castle Garden in Kent gehört haben, der als Englands schönster romantischer Landhausgarten gilt. Zusammen mit ihrem Mann hat die gartenbegeisterte Schriftstellerin Vita Sackville-West dieses Paradies erschaffen. Weit über hunderttausend Besucher (!) lockt dieses Gartenkunstwerk jedes Jahr an. Inspirieren ließ sich seine Schöpferin Vita Sackville-West von einer ganzen Reihe von Gartenenthusiasten, wie etwa Gertrude Jekyll, die seit dem späten 19. Jahrhundert Englands Gärten durch ihre malerischen Pflanzenkompositionen verwandelt hatte.

Bei Vita Sackville-Wests Besuch in Munstead Wood, dem Garten von Gertrude Jekyll, im August 1917 war sie von der berühmten Gärtnerin allerdings nicht sehr angetan: »Miss Jekyll ziemlich fett und mürrisch«, lautete ihr Urteil, wobei sie zugleich schrieb: »Der Garten ist nicht in seinem besten Zustand, aber ich kann sehen, dass er schön sein muss.« Wer hätte zu dieser Zeit denken können, dass Vita Sackville-Wests zukünftiger Garten einmal zu einem Sehnsuchtsort werden würde?

Zu diesem Zeitpunkt fürchtete die über siebzigjährige Miss Jekyll angesichts von Krieg und Inflation um ihr Lebenswerk. Vita Sackville-West, die junge Aristokratin und Schriftstellerin, war dagegen erfüllt von schöpferischem Elan. Sie hatte gerade erst begonnen, sich mit dem Gärtnern zu beschäftigen, ermuntert durch ihre Mutter, die das Gärtnern für eine durchaus akzeptable Beschäftigung für eine Lady ihres Standes erachtete.

Während sich Vita Sackville-Wests Mann seinen diplomatischen Aufgaben widmete, gestaltete sie das Anwesen von Long Barn. Long Barn bestand zunächst aus einem für Kent typischen alten Bauernhaus, umgeben von ca. drei Acres Land. In den ersten Jahren beschäftigte sich die junge Frau mit Fragen, wie und wann man Lilien oder Thymian pflanzen sollte oder welche Rosen gute Kletterer seien. Sie skizzierte, legte Pflanzlisten an, ließ sich Kataloge zusenden, besuchte Gärtnereien und tauschte sich in den Briefen mit ihrem Mann über ihre Ideen aus. Sie, die Schreibende, pflanzte »Blumen, die englische Dichter besangen«: Rosen, Iris, Narzissen, Stockrosen, Goldlack, Lavendel, Akelei ... Es sollte nicht lange dauern, bis Schönheit, Eleganz und Düfte die Beete und Rabatten erfüllten und ein Hauch von Opulenz das Refugium verzauberte. Das Ambiente war überaus englisch, historisch, romantisch.

Recht unerwartet ging die Idylle in Long Barn zu Ende. In der Nähe sollte Land verkauft werden und womöglich eine Hühnerfarm entstehen. Das Paar begab sich auf die Suche nach einem neuen ländlichen Domizil. Eine Freundin entdeckte eine Verkaufsanzeige und schon fuhren Vita Sackville-West und ihr dreizehnjähriger Sohn Nigel zu dem besagten Objekt nahe der Stadt Cranbrook. Trotz all der Unordnung und dem Schmutz auf dem verwahrlosten Anwesen eines einstigen Tudor-Herrenhauses samt Garten erkannte sie dessen Potenzial. Nigel war entsetzt, aber seine Mutter verliebte sich auf der Stelle in Sissinghurst Castle: »Ich bin von Liebe überwältigt.« Der Besitz war wildromantisch und besaß über die weibliche Linie eine Verbindung zu den Sackvilles. Noch zwanzig Jahre später schrieb sie begeistert von ihren Gefühlen: »Ich sah, was daraus gemacht werden konnte. Es war Dornröschens Garten: aber ein Garten, der nach Befreiung schrie.« War ihr Mann zunächst zögerlich, so überzeugte ihn der Anblick einer Nussbaumallee – »und damit war der Fall klar«, wie er am 6. April 1930 notierte. »Von diesem Augenblick an entschließen wir uns zum Kauf. Ein glücklicher Tag.«

Während Munstead Wood der verwirklichte Lebenstraum einer hochbegabten Künstlerin war, verkörpert der Garten von Sissinghurst den Traum eines ungewöhnlichen Paares. Es war ihr Refugium mit seinen charakteristischen Gartenzimmern, in denen sich in der Tat das Leben der Familienmitglieder abspielte. Spektakulär ist für viele immer noch die Extravaganz des wohlkomponierten Weißen Gartens, der die Erinnerung an ein schreibendes, gärtnerndes Paar wachhält. Sie in Kniebundhose aus Kammgarn, hohen Stiefeln mit einem Schaft aus Segeltuch und einer nach ihren Entwürfen eingenähten Tasche für Gartenscheren, dazu in seidener Bluse, grober Jacke oder Strickjacke aus der Wolle der eigenen Jakobschafe, geschmückt mit Perlenkette und Ohrringen. Er ein geschäftiger Londoner, ganz vollendeter Gentleman in Manieren und Auftreten, der sich übers Wochenende traditionell aufs Land zurückzog. Hätten sich die beiden vorstellen können, als Schöpfer und Schöpferin dieses grünen Kunstwerks unsterblich zu werden?

Im Frühjahr 1942 hatte Vita Sackville-West angesichts einer neu erworbenen Japanischen Kirsche darüber sinniert, ob ihr Sohn den Ort dereinst als Bauland verkaufen würde, wo doch dann »unsere Enkelkinder [...] richtig schöne, große, blühende Bäume sehen könnten«. Sie war unsicher, ob »irgendjemand in fünfzig Jahren daran überhaupt interessiert« sei.

Diese Frage lässt sich eindeutig mit Ja beantworten. Die gärtnernde Schriftstellerin hatte allein den Gedanken verworfen, »diesen schrecklichen Garten«, wie sie ihren Lebenstraum liebevoll scherzend nannte, dem National Trust anzuvertrauen. Zugleich unterstützte sie diese Organisation und war ein Gründungsmitglied von deren Gartenkomitee. Doch ihr Erbe Nigel bot das Anwesen dem National Trust an. Waren auch nicht alle Mitglieder dafür, so übernahm der National Trust letztlich den Besitz. Durch diese kluge Entscheidung ihres Sohnes wachen dessen Verantwortliche bereits über ein halbes Jahrhundert lang über den Garten und regulieren behutsam die Besucherströme, um dessen wandelbare Schönheit zu erhalten. Wenngleich der Garten inzwischen auch ein anderer ist. Vielleicht, da die Uhren nach dem Tod von Vita Sackville-West im Jahre 1962 nicht angehalten wurden, wie es die bis 1991 amtierende Gartenmeisterin Pam Schwerdt einmal formulierte, sondern Neues ausprobiert werden konnte. Lebendiger könnte ein Kunstwerk nicht sein.

 

Editha Weber
Editha Weber studierte Geschichte, Evangelische Theologie und Kulturgeschichte in Deutschland und Großbritannien. Sie wurde mit einer Arbeit über Englandreisen promoviert, arbeitete in der wissenschaftlichen Forschung und schrieb Bücher und Aufsätze...
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Text: Editha Weber

Foto 1: Quelle: Wikimedia Commons: Vita on holiday in Bangor, Wales
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9f/Vita_in_childhood2.jpg

Foto 2: Quelle Wikimedia Commons: Sissinghurst garden, Kent, UK
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9d/Sissinghurst.jpg

Foto 3: Quelle Wikimedia Commons: Gemälde (Öl auf Leinwand) von Philip Alexius de Laszlo: The Honourable Victoria 'Vita' Sackville-West
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