Einst berühmt – die streitbare viktorianische Gartenlady Theresa Earle

Text: Editha Weber

Foto 1: Quelle: Wikimedia Commons: Theresa Earle guess at 1870
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Foto 2: Quelle: Wikimedia Commons: Villiers family group: Charles William Earle (1828 or 1829-1897) and wife Maria Theresa Earle (née Villiers) (1836-1925), Elizabeth Villiers, Baroness Loch, Henry Loch, 1st Baron Loch Edith Bulwer-Lytton (née Villiers), Henry Trotter (1842-1910), Vicar Elizabeth Charlotte Villiers (née Liddell) (1815-1890), Ernest Villiers (1838-1921)
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/34/Villiers_family_group_-_Maria_Theresa_Earle_et_al.jpg

Theresa Earle: »[…] ist es eine natürliche Konsequenz, dass diejenigen, die die tatsächliche Frucht eines Gartens nicht schmecken können, sich umso mehr daran erfreuen, über einen Garten zu lesen.«

Vielen gartenbegeisterten Menschen gilt bis heute die britische Gärtnerin, Künstlerin und Autorin Gertrude Jekyll (1843–1932) als eine der herausragendsten und einflussreichsten Gartenkünstlerinnen am Beginn der Moderne. Doch sie war nicht allein für den Wandel in der Gartenkultur verantwortlich. Zahlreiche Frauen und Männer wirkten gärtnerisch oder publizistisch daran mit, dass sich um 1900 eine weitaus natürlichere Art der gärtnerischen Gestaltung durchzusetzen begann.

Manche von ihnen sind längst vergessen. Dabei lohnt es sich durchaus, einen Blick auf Leben und Wirken dieser Persönlichkeiten zu werfen. Eine von ihnen ist Theresa Earle (1836–1925), die mit Anfang Sechzig im Jahre 1897 ihr erstes Buch mit dem Titel »Pot-Pourri from a Surrey Garden« veröffentlichte. Gertrude Jekyll lobte es sehr und fand es inspirierend.

Das Buch wurde in kurzer Zeit zum Bestseller und erlebte zahlreiche Neuauflagen. Als »klassisches Tagebuch einer viktorianischen Lady« offeriert es eine Mischung aus Anekdoten, Haushalts- und Gartentipps, Dekoration, Rezepten und Ratschlägen für die Kindererziehung. Viele Zeitgenossinnen fanden darin hilfreiche Unterstützung im täglichen Leben, und für einige wurde es »zu einer Art Bibel«, wie Constance Spry, die spätere »Doyenne of Flowers«, schwärmte. Augenscheinlich beschäftigt sich das Buch mit all dem, was damals Frauen über mehrere Generationen hinweg interessierte. Theresa Earle plädiert etwa dafür, dass das Gärtnern ein für Frauen geeigneter Beruf sei: »Es kam mir sofort in den Sinn«, schreibt sie, »dass es durchaus möglich ist, dass sich aus dem modernen gesteigerten Geschmack für die Gartenarbeit eine neue Beschäftigung für Frauen mit geringen Mitteln entwickeln könnte.«

Charles William Earle, der Ehemann der Autorin, so ist mancherorts zu lesen, habe seiner Frau die damals hohe Summe von einhundert Pfund geboten, wenn sie ihr Manuskript nicht veröffentlichen würde. Was sie offensichtlich nicht interessierte. Stattdessen publizierte die Lady weitere Bücher und schrieb zahlreiche Artikel für angesehene Magazine. Schließlich war sie eine selbstbewusste und streitbare Frau, die sich mit den Fragen ihrer Zeit beschäftigte und sich für den Wandel in Gesellschaft und Kultur einsetzte.

Als Maria Theresia Villiers am 8. Juni 1836 in London geboren, war sie eine Nachfahrin alteingesessener adeliger Familien, liberal orientiert sowie kultiviert vernetzt. Sie verkehrte mit berühmten Persönlichkeiten der Londoner Literatur- und Kunstwelt. Entsprechend ihrer Herkunft wurde die junge Frau bei Hofe vorgestellt und erhielt die Chance, Ehrendame von Königin Victoria zu werden. Sie lehnte ab. Ihre Haltungen und Ansichten bescherten ihr bald innerhalb der Familie den Spitznamen »radikale Theresa«, später »Aunt T«, Tante T.

John Ruskin, Philosoph, Schriftsteller, Kunstkritiker und ebenso wie William Morris bedeutender Vertreter der Arts-and-Crafts-Bewegung, ermutigte die junge Frau, Kurse an der South Kensington School of Art (1856) zu belegen, was erst seit Kurzem für Frauen möglich war. Sie hatte eine große künstlerische Begabung, wobei sie sich besonders für die Malerei begeisterte.

Statt einer künstlerischen Karriere heiratete die Siebenundzwanzigjährige 1864 und bekam in rascher Folge drei Söhne. Waren die finanziellen Mittel der Familie zunächst begrenzt, konnten sie sich nach einigen Jahren und einer Erbschaft neben dem Londoner Wohnhaus auch das Landhaus Woodlands in Cobham, Surrey, zulegen: »ein kleines Stück flaches Land, das ein gewöhnliches Vorstadthaus umgibt«, wie sie notiert. Dem geselligen Londoner Leben im Winter entsprach in klassischer Weise ein Sommer auf dem Lande. Theresa Earle begann, einen Garten zu entwerfen, konnte sich aber nur einen Gärtner und einen Gartenjungen leisten.

Sie war geschickt, begabt und erfinderisch – und so blühte ihr Garten auf. Bald baten Freunde sie um Rat. Sie begann, ihre Gedanken niederzuschreiben. Ihre Nichte Constance Lytton (1869–1923), die später engagiert für das Frauenwahlrecht kämpfte, unterstützte sie dabei. Mrs. Earle diktierte ihrer Nichte in die Feder. Ohne sie, meint sie knapp, »wäre das Buch wahrscheinlich verbrannt worden, da ich befürchtete, dass mein Mann nicht wollte, dass ich es veröffentliche.«

Dass ihr Buch in kurzer Zeit dermaßen erfolgreich wurde, hatten weder die Autorin noch ihr Verleger erwartet: »Ich erinnere mich immer daran, wie der Buchhändler bei Hatchards sagte: ›Ich nenne es nicht einen literarischen Erfolg, sondern einen gesellschaftlichen Erfolg‹; und zweifellos waren alle meine Freunde sehr freundlich, es so weit wie möglich zu fördern und bekannt zu machen,« wie sie resümiert. »Sicherlich war niemand mehr von seinem Erfolg überrascht als ich«, kommentiert sie abschließend. Wie hätte ihr Mann wohl auf den Erfolg des Buches reagiert? Tragischerweise kam er bei einem Fahrradunfall ums Leben, kurz nachdem der Erstling seiner Frau veröffentlicht worden war. Obwohl es keine Illustrationen enthielt, verkaufte es sich sehr gut, wurde in mehrere Sprachen übersetzt, inspirierte andere Autoren und Schriftstellerinnen und auch die Rezensionen klangen überwiegend positiv.

So glänzend Theresa Earles Ruhm als auf vielen Gebieten bewanderte Autorin war, so rasch wurde sie nach ihrem Tod vergessen. Erst in den 1980er-Jahren begann eine allmähliche Wiederentdeckung dieser ungewöhnlichen Frau, deren Denken, widmet man sich der Lektüre, unerwartet spannend und modern wirkt. Leider werden sowohl Theresa Earles Einfluss als auch ihre Originalität bis heute oft unterschätzt; selbst ihre Familie zeigte kaum Interesse daran, ihre Korrespondenzen und Notizen zu bewahren. Wogegen Gertrude Jekylls anhaltender Einfluss zum gewissen Teil sicherlich auf ihrer Tätigkeit als professionelle Gartengestalterin beruht, deren umfangreiches Œuvre an Texten und Fotografien ihre Ideen bewahrt. Dagegen beabsichtigte Theresa Earle als »lady writer« und Amateurin im Gartenbau keineswegs, einen Verdienst zu erwirtschaften, und somit wurde ihr Garten nie zu der Art »Schaugarten« wie Jekylls Garten in Munstead Wood. Nichtsdestotrotz war auch Theresa Earle eine passionierte Gärtnerin. So war etwa in einem Nachruf in The Times zu lesen, sie sei ihr ganzes Leben lang »eine glühende Liberale, Vegetarierin und Freundin vieler noch lebender liberaler Staatsmänner« gewesen. Jedoch hätte man sie wohl am besten in ihrem Haus und in ihrem »auf originelle Weise verschönerten« Garten erleben können.

Editha Weber
Editha Weber studierte Geschichte, Evangelische Theologie und Kulturgeschichte in Deutschland und Großbritannien. Sie wurde mit einer Arbeit über Englandreisen promoviert, arbeitete in der wissenschaftlichen Forschung und schrieb Bücher und Aufsätze...
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Text: Editha Weber

Foto 1: Quelle: Wikimedia Commons: Theresa Earle guess at 1870
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Foto 2: Quelle: Wikimedia Commons: Villiers family group: Charles William Earle (1828 or 1829-1897) and wife Maria Theresa Earle (née Villiers) (1836-1925), Elizabeth Villiers, Baroness Loch, Henry Loch, 1st Baron Loch Edith Bulwer-Lytton (née Villiers), Henry Trotter (1842-1910), Vicar Elizabeth Charlotte Villiers (née Liddell) (1815-1890), Ernest Villiers (1838-1921)
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