Gestalt der Farne
Grundlage für das Gestalten mit Farnen
Farne blühen nicht. Sie wirken vor allem durch ihre Gestalt, dann aber auch durch die Farbe ihrer Wedel. Der Begriff der Gestalt sei hier recht weit gefasst und umfasst die folgenden Aspekte: Wuchsgröße, Umriss & Form, Bewegung & Richtung, Aufbau & Textur der Wedel, Vegetationsrhythmen (sommergrün oder immergrün), horstig oder Ausläufer treibend und Helligkeit & optisches Gewicht. Dieser letzte Aspekt leitet fließend ins Thema Farbe über.
Im folgenden Teil werden die aufgeführten Aspekte der Farngestalt und ihre Bedeutung für das Gestalten mit Farnen näher erläutert.
Die Wuchsgröße
Auch in unserem mitteleuropäischen Klima können Farne stattliche Größen erreichen, an günstigen Standorten bis Menschenhöhe. Zu unseren großen, oft meterhohen Farnen gehören der Königsfarn (Osmunda regalis), der Adlerfarn (Pteridium aquilinum), die Frauenfarne (Athyrium filix-femina und Athyrium distentifolia), der Gewöhnliche Wurmfarn (Dryopteris filix-mas), die Becherfarne der Gattung Matteuccia sowie die größeren Formen der Schildfarne, insbesondere Polystichum setiferum 'Dahlem'.
Klein- und Zwerg-Farne sind vor allem für Steingärten interessant – gut wüchsige Arten und Formen, insbesondere Ausläufer treibende, auch als Bodendecker. Wir finden sie insbesondere in den Gattungen Asplenium, Blechnum, Gymnocarpium, Polypodium, Woodsia.
Die Farngröße dem vorhandenen Raum anzupassen – Riesenfarne können einen kleinen Gartenraum geradezu erdrücken, zu kleine Farne in zu großen Gartenräumen aber auch lächerlich wirken – ist eine elementare Leitlinie in der Gestaltung. Eine andere: Die Größe richtig in Szene setzen, d. h. große Farne einzeln oder in kleinen Gruppen in Flächen niedriger, bodendeckender Pflanzen stellen.
Umriss und Form
In hellen Mondnächten, wenn Farben und Texturen weitgehend unsichtbar werden, nehmen wir die Umrisse, etwa von Bäumen oder Gebäuden deutlicher wahr. Schon das Zukneifen der Augen am lichten Tag lässt die Silhouetten hervortreten.
Die Trichterformen von Matteuccia struthiopteris sagen anderes aus als die kugelige oder abgeflachte Form von Andiantum pedatum, als der aufstrebende Hochbusch von Dryopteris goldina oder die nur wenig vom Boden abgehobenen moosigen Polster von Polystichum setiferum 'Plumosum Densum'.
Kaum zu trennen von der Form sind Bewegung und Richtung der einzelnen Wedel: überhängend etwa bei Dryopteris dilatata und Polystichum polyblepharum, straff aufrecht bei Dryopteris villarii. Nicht nur in der Blumensteckkunst, wo diese Eigenschaften bewusst eingesetzt werden, auch in der Gartengestaltung sind sie wichtig, erzeugen sie unterschiedliche Stimmungen.
Aufbau und Textur der Wedel
Beim Bestimmen von Farnen stoßen wir auf Begriffe wie: Wedel ungefiedert, einfach gefiedert, zweifach bis dreifach gefiedert. Was für den Botaniker Bestimmungsmerkmal ist, bedeutet für die Gestaltung große Unterschiede des Charakters, der Aussage. Wirkt das ungefiederte Blatt des Hirschzungenfarns (Asplenium scolopendrium, auch Phyllitis scolopendrium), verstärkt noch durch seine oft tief dunkelgrüne Farbe eher schwer und düster, die grob gefiederten Wedel von Matteuccia orientalis eher behäbig und tropisch, so beeindrucken etwa die Filigranfarne (viele Formen von Polystichum setiferum) durch ihre luftige Leichtigkeit.
Aufbau und Textur der Wedel, ebenso deren Dichte und Farbe bestimmen auch die Helligkeit und das optische Gewicht der Farngestalt: wirkt sie als Ganzes eher schwer, dem Boden verhaftet oder leicht und durchlässig? Wuchsgröße, Bewegung, Textur, Helligkeit und optisches Gewicht lassen sich in der Gestaltung bewusst einsetzen und damit bestimmte Wirkungen realisieren. Beispielweise kann damit die Geländeform verstärkt oder gemildert werden.
Vegetationsrhythmen: sommergrün oder immergrün?
Die meisten Farne treiben bei uns im Frühjahr aus, oft recht spät im Mai. Nur wenige – die Tüpfelfarne der Gattung Polypodium – halten sich nicht an diese Regel.
Der Austrieb der Farne gehört zu den ansprechendsten Ereignissen des Gartens. Bei manchen Arten, etwa bei Osmunda regalis, ist er gar spektakulär. Gegen den Herbst hin verfärben sich die Wedel der sommergrünen Arten, in trockenen Sommern meist schon recht früh. Manche Arten glühen in der milden Herbstsonne zu leuchtenden Gold- und Brauntönen auf – so alle Osmunda-Arten – andere schrumpfen zu unscheinbarem Laubstreu zusammen.
Eine stattliche Anzahl jedoch behält das Laub bis tief in den Winter oder gar bis zum kommenden Frühjahr. Zu den besten Wintergrünen gehören die Blechnum-Arten, Dryopteris atrata und Dryopteris erythrosora, Asplenium scolopendrium, die Polypodium-Arten sowie viele Polystichum.
Aus Sicht der Gestaltung können diese Unterschiede bedeuten: Immergrüne Farne sind auch im Winter attraktiv, Reif und Schnee verzaubern die Wedel. Zwischen sommergrünen Farnen können allerlei frühlingsblühende Zwiebel- und Knollengewächse angesiedelt werden: Anemone blanda, Erythronium, Narzissen, Winterlinge (Eranthis), Crocus, Scilla, Hyacinthoides.
Farben im Reich der Farne
Farnen fehlen die Blütenfarben unserer Prachtstauden und Blütengehölze. Ihre Farben sind jedoch nicht weniger zierend. Es sind die vielfältigen Grüntöne ihrer Wedel und die gedämpften Gold-, Braun-, Rot- und Purpurschattierungen ihres Austriebes und des Herbstes. Und diese Farben sind über lange Zeit im Garten präsent: von Frühling bis Herbst bei den Sommergrünen, übers ganze Jahr bei den Immergrünen.
Wir haben die Schönheit des Farnaustriebes bereits angesprochen. Hinzuzufügen bleibt die Eigenschaft einiger Farne, den ganzen Sommer über stets neue, auffällig gefärbte Wedel hervorzubringen. Beim Rotschleierfarn (Dryopteris erythrosora) ist diese Eigenschaft besonders ausgeprägt, aber auch beim Athyrium niponicum 'Metallicum'. Unterschiedliche Grüntöne erzeugen unterschiedliche Stimmungen im Garten, insbesondere unter dem Aspekt der Helligkeit.
Text von Fritz Wassmann (freischaffender Gartengestalter und Fachlehrer)
Der Beitrag ist in »Pteridomania – Farnfieber« (Herausgeber: Schweizerische Vereinigung der Farnfreunde und Gesellschaft der Schweizer Staudenfreunde) erschienen und kann dort zu einem Preis von CHF 25,00 bestellt werden.
Gekürzter Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.