Essen Sie doch von der herbstlichen Pracht!

Text: Ludwig Fischer
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer, Gerlinde Sachs

In einem Teil des Benkeler Kräuter-Schaugartens bereite ich einen 'Garten der essbaren Blüten' vor. Das Thema ist unter Gartenfreundinnen und -freunden längst kein Geheimtipp mehr, einige Bücher sind auf dem Markt, und immer wieder werden Kurse und Workshops annonciert.

Einige der üblichen Verdächtigen breiten sich schon in dem Gartenstück aus – es ist übrigens der einzige Bereich im ganzen Garten, der Beeteinfassungen aus Buchsbaum aufweist. Das hat seinen Grund: Viele der klassischen Stauden aus den Bauerngärten tragen essbare Blüten. Veilchen und Anis-Ysop, Stockrose und Topinambur, mehrere robuste Gallica- und Damaszener-Rosen, Bergminzen und Gänseblümchen, Süßdolde, Nesselkönig und Walderdbeere streiten sich schon ein wenig um die Plätze, sei es in der vollen Sonne, sei es im Halbschatten.

Noch ist aber der 'Garten der essbaren Blüten' für die Besucherinnen und Besucher gesperrt. Denn es fehlen noch viele wichtige Blütenstauden, die unbedingt in eine solche Abteilung des Kräutergartens gehören. Ich meine nicht die mediterranen Küchenkräuter, deren Blüten zumeist besonders gut schmecken, und ich meine auch nicht die Wildstauden – Wiesenknopf, Wilde Möhre, Wegwarte, Weidenröschen, Schafgarbe und andere –, mit deren Blüten man würzen und dekorieren kann.

Nein, jetzt denke ich an die herbstlichen Prachtstauden, von denen man kaum weiß, dass ihre Blüten nicht nur den Garten noch spät schmücken, sondern dass sie auch Gaumengenüsse bereiten. Es fängt an mit der Nachtkerze (Oenothera), deren bei uns verwilderte Form (O. biennis) sich überall aussät. Die Knopsen schmecken leicht nussig und bereichern Salate, die Blüten haben keinen starken Eigengeschmack, man kann sie aber sehr schön füllen, mit Frischkäse oder anderen Leckereien. Manche Zuchtformen, etwa O. odorata 'Sulphurea' (gelb) oder O. tetragona 'Erica Robin' (hellgelb über rotem Austrieb) haben größere oder besonders leuchtende Blüten.

Dass man auch bei vielen der hohen, spät blühenden Phlox-Sorten die Blüten für die Küche verwenden kann, ist nicht sonderlich bekannt. Manche schmecken süß, andere eher würzig bis pikant, sie eignen sich besonders zu Obstsalat, Eis, Desserts. Unter den Paniculata-Sorten blühen etwa 'Argus' oder 'Glut' oder 'Laura' besonders spät. Man sollte die Phlox-Blüten verkosten, um herauszufinden, welche einem am besten mundet.

Die Krönung jedes Herbstsalats sind Dahlien-Blüten, leicht säuerlich und zum Hineinbeißen schön. Wer aber die frostempfindlichen Knollen nicht jeden Herbst ausgraben und einlagern will, der kann sich auch an Chrysanthemen halten – in Japan und China werden nicht nur die Blütenknopsen der Speise-Chrysantheme (Ch. coronarium) in Chop-Suey und anderes gemischt, sondern auch die gefüllten Hybrid-Sorten nutzt man, etwa manche der starkfarbigen Indicum-Hybriden. Auch den Umgang mit diesen Blüten muss man erst lernen, einige sind leicht bitter und sollten gewässert oder blanchiert werden.

Ja, und dann sind da noch die spät blühenden Taglilien (Hemerocallis), die seit jeher zur chinesischen Küche gehören. Unter den tausenden von Sorten kann man nach Gefallen wählen – erwähnt seien hier die Hybriden 'Princeton Silky' (rosa), 'Stella de Oro' (goldgelb) und 'Augustfreude' (hellgelb). Die Geschmacksnoten variieren von scharf und pfeffrig über fruchtig bis süß. Probieren geht über studieren!

Also: Lassen Sie Zunge und Gaumen an der herbstlichen Blütenpracht teilnehmen.

Ludwig Fischer
Garten und Literatur Bis Ende 2017 berichtete Ludwig Fischer aus seinem großen Kräuter-Schaugarten in Benkel nahe Bremen, von dem er Abschied nahm, um sich von nun an stärker aufs Schreiben zu konzentrieren.
Mehr lesen

Text: Ludwig Fischer
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer, Gerlinde Sachs