Weine duften nicht nur beim Trinken

Hintern dem alten brandenburger Haus meiner Kindheit existierte ein geheimnisvoller Laubengang. In seinem lichten Schatten konnte man ganz allein ungestört Karl May lesen. Dort konnte man schwarzroten Feuerwanzen beobachten und sich im Frühling an Scilla und Veilchen erfreuen. Im Juni, noch zur Spargelzeit aber gab sich die Familie dort ganz einem Duftgenuss hin, der an Einmaligkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Der Laubengang, heute würden wir Pergola dazu sagen, trug nämlich die Reben des Duftweines. Weit in das Haus und in den Garten hinein drang der herb-liebliche Duft. Ich glaube, er berauschte uns. Aus heutiger Erfahrung würde ich sagen, er hatte etwas Champagnerhaftes an sich.

Was haben Dichternarzissen und Wein miteinander zu tun?

Ich will aber ein Dufterlebnis nicht unterschlagen, das sich Jahr für Jahr unterhalb des Laubenganges 14 Tage zuvor ereignete, etwa Ende Mai, Anfang Juni. Dann blühten nämlich in dichten Sträußen die Dichternarzissen. Wie, so spät? Und in trockenem Sandboden? Ja, sie blühten üppig und ich kann mit gutem Recht sagen, dass mir nie wieder eine Narzisse begegnet ist, die auch nur annähernd so gut, so lieblich, so edel und dabei kräftig duftete.

Ob es sich um die Unterart Narcissus poeticus var. recurvus handelt, von der es heißt, dass sie sehr spät blüht? Welche Gründe mag es gegeben haben für das Verschwinden dieser Narzisse? Etwa die Unkenntnis von ihrer späten Blüte, die manche „Junggärtner“ veranlasst haben könnte, sie zu „entsorgen“, weil sie ja offensichtlich doch nicht blüht? Oder wurde diese Narzisse etwa von der sehr vitalen 'Actaea' verdrängt? Bei ihr handelt es sich um eine Hybride zwischen der Dichternarzisse und einer anderen Art. Sie blüht reichlich schon Ende April/Anfang Mai, einen Monat früher. Ihr Duft erinnert aber nur schwach an jenen der alten Poeticus-Gartensorte.

Vitis riparia – der Uferwein

Nun aber wieder der Wein. Mein Großvater nannte ihn noch Vitis odorata, in manchen älteren Büchern heißt er Vitis odoratissima. Beide Namen machen deutlich, wie bestimmend, wie wichtig der Duft bei der Beschreibung dieser Rebe war. Offiziell heißt diese nordamerikanische Rebe jetzt Vitis riparia, Uferrebe. Nach Europa kam sie als reblausresistente Unterlage. Auch heute wird in den Rebschulen noch auf Vitis riparia bzw. auf Hybriden dieser Art veredelt.

Der „Duftwein“ ist unverwüstlich. Spätestens vor 80 Jahren gepflanzt, lebt er noch immer an jener Stelle im Garten, in der sich früher der Laubengang befand. Kurz muss man ihn halten, sonst erobert er weit mehr Gelände, als ihm rechtmäßig zusteht. Zum Ausbreitungsdrang kommt ein weiterer Nachteil: Die Früchte sind nicht genießbar, oder haben die Amseln sie immer beizeiten geerntet?

Vitis labrusca

Wenn man einen spätherbstlichen Spaziergang über den Münchener Viktualienmarkt macht, werden überall überwunderbare reife Trauben aus ganz Südeuropa angeboten. Was ihren Preis anbelangt, werden diese Trauben aber alle von der „Erdbeertraube“ übertroffen, einer Amerikanerin, die in Italien sesshaft geworden ist, wie die moderne Pizza, diesem Re-Import aus New York.

Vitis labrusca heißt die Rebe botanisch. Und sie stammt aus der Region der großen nordamerikanischen Seen. Auch sie wurde ursprünglich als reblausresistente Unterlage nach Europa geholt, von den Italienern aber bald auch sehr als Lauben- und Hauswein geschätzt. Diese Rebe braucht nämlich nicht gespritzt zu werden. Sie ist das ganze Jahr hindurch absolut gesund. Man kann sie brutal hausmeistermäßig schneiden, sie blüht trotzdem! In ihrem Schatten lässt sich die Hitze vertragen, die Trauben schmecken interessant und sie duften in der Tat etwas nach Erdbeere.

Dass Vitis labrusca, der komischer Weise bei den deutschen Winzern Fuchsenwein genannt wird, auch bei mir im bayerischen wie im brandenburger Garten wächst, versteht sich. Ein Freund aus Italien hatte mir vor Jahren ein paar Steckreiser mitgebracht. Dieser Wein ist bei uns absolut frosthart. Wenn aber der Herbst zu kühl und nass ist, werden die Trauben nicht richtig reif und sind dann nur noch Vogelfutter.

Wein duftet nicht nur im Glase

Für die Verehrer guter Gerüche lohnt es sich immer, Reben am Haus oder am Zaun zu bauen. Sie alle duften zauberhaft, egal ob normaler Tafelwein, Fuchsenwein oder der Uferwein, die alte Duftrebe. Der schenkt uns zwar keine Trauben, gleicht das aber großzügig mit seinen Düften aus, die jene aller anderen Weine übertreffen. Oder liegt das daran, dass zur selben Zeit auch die Robinien blühen und eine sehr bemerkenswerte Komposition entsteht?


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