Succisa pratensis: Blume des Jahres 2015

2015 hat die Loki Schmidt Stiftung den Gewöhnlichen Teufelsabbiss (Succisa pratensis), eine attraktive, blau blühende Wiesenblume und ihren bedrohten Lebensraum in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gebracht. Succisa pratensis steht stellvertretend für Arten magerer und offener Feuchtwiesen, Moore und Heiden. Größere Bestände der Art kommen im südlichen Teil der Bundesrepublik, beispielsweise in den Alpen, der Spessart-Rhön-Schwelle, im Schwarzwald und im Odenwald vor.

Magere Offenlandschaften stellen auch wichtige Lebensräume für andere schützenswerte Pflanzenarten wie den Sumpf-Stendelwurz, das Breitblättrige Knabenkraut, das Sumpf-Herzblatt sowie zahlreiche Insekten- und Vogelarten dar. Succisa pratensis hat als wichtige Raupennahrungs- und Nektarpflanze in diesem Lebensraum eine hohe Bedeutung für Insekten. Zu den Blütenbesuchern und Bestäubern gehören verschiedene Bienen- und Zweiflüglerarten sowie Tag- und Nachtfalter, die mit dem energiereichen Nektar und Pollen der Pflanze belohnt werden. Auf Feuchtgrünland dient der Gewöhnliche Teufelsabbiss den Raupen des Goldenen Scheckenfalters, einem europaweit geschützten und äußerst bedrohten Tagfalter, als wichtigste Raupennahrungspflanze.

In einzelnen Bundesländern ist der Gewöhnliche Teufelsabbiss bereits stark zurückgegangen. Hauptursache für den Rückgang des Teufelsabbisses ist der Verlust seines Lebensraums. Magere Offenlandschaften sind in der Kulturlandschaft vielerorts verschwunden. Meist wurden sie in Wirtschaftsgrünland und Äcker umgewandelt. Infolge vermehrter Nährstoffeinträge, beispielsweise durch Düngung sowie die Entwässerung der Flächen, nimmt in vielen Regionen zudem die Eignung des Lebensraums für Arten wie den Gewöhnlichen Teufelsabbiss ab. Auch die Nutzungsaufgabe und anschließende Verbuschung der Flächen stellen für Offenlandarten eine Bedrohung dar. Diese kann meist nur durch eine Wiesen- und Weidenutzung verhindert werden. Um auf dieses selten gewordenen Biotop und seinen Wert aufmerksam zu machen, hat die Loki Schmidt Stiftung die attraktive Zeigerart Succisa pratensis zur Blume des Jahres 2015 gewählt.

Name

Der Gewöhnliche Teufelsabbiss wird auch Abbiss, Teufelswurz oder einfach Teufelsabbiss genannt. Der botanische Gattungsname Succisa leitet sich vom Lateinischen »succisus« ab, das »unten abgeschnitten« bedeutet. Sowohl der deutsche als auch der lateinische Name sind auf die besondere Gestalt des unterirdischen Sprossachsensystems (das Rhizom) zurückzuführen. Da dieses im Herbst von unten abstirbt, sieht es wie »abgebissen» aus. Nach einer Sage soll der Teufel aus Zorn über die Heilkraft der Pflanze das Rhizom abgebissen haben. Der Artname pratensis deutet darauf hin, dass die Pflanze auf Wiesen vorkommt.

Beschreibung

Der Gewöhnliche Teufelsabbiss ist eine mehrjährige Staudenpflanze aus der Familie der Geißblattgewächse und der Unterfamilie der Kardengewächse (Dipsacoideae). Er erreicht eine Wuchshöhe von 20-100 cm. Seine Sprossachse ist im oberen Teil verzweigt und behaart. Die untere Stengelhälfte ist hingegen kahl und unverzweigt. Seine grundständigen Rosettenblätter sind gestielt, ganzrandig und lanzettlich bis elliptisch geformt. An der oberen Sprossachse wachsen gegenständige, sitzende und ungeteilte Blätter.

Succisa pratensis kann entweder rein weibliche Blüten oder zwittrige Blüten ausbilden. Zwischen Juli und September stehen in kleinen endständigen, kugligen (anfangs halbkugligen), 2 bis 3 cm großen Körbchen, 50 bis 80 Blüten zusammen. Diese sind meist hellblau, violett oder selten auch rosa gefärbt. Die 4-spaltige Blütenkrone wird von zweireihigen Hüllblättern gestützt und ist etwa 4 bis 7 mm lang. Aus den kleinen Blüten ragen jeweils zwei verwachsene, lange Griffel und bei zwittrigen Blüten zusätzlich vier Staubblätter heraus. Jede einzelne Blüte ist von kurzen, eiförmigen Spreublättern umgeben. Der vom Gewöhnlichen Teufelsabbiss gebildete Nektar wird durch einen kleinen Haarkranz, die sogenannte Saftdecke, geschützt.

Die Bestäubung erfolgt durch Bienen, Falter und diverse Zweiflügler (siehe »Ökologische Funktion«). Die 5 bis 7 mm langen Früchte- vierkantige, behaarte Achänen- kommen ab August zur Fruchtreife und werden durch den Druck der Spreublätter emporgehoben. Der Kelch verbleibt dabei an der Frucht. Ausgebreitet werden die Früchte durch Windbewegungen oder durch vorbeistreifende Tiere. Das Rhizom des Gewöhnlichen Teufelsabbisses wird bis zu 50 cm tief und stirbt im Herbst von unten ab (siehe »Name«). Durch sein unterirdisches Sprossachsensystem bildet die Art häufig große Bestände aus.

Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet des Gewöhnlichen Teufelsabbisses umfasst West-und Mitteleuropa, Westsibirien sowie Nordafrika. Im östlichen Nordamerika kommt er als Neophyt vor. In Deutschland ist die Art in jedem Bundesland heimisch. Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt jedoch im südlichen Teil der Bundesrepublik.

Standort

Der Gewöhnliche Teufelsabbiss gilt als Indikatorart für ausgesprochen magere, feuchte sowie mäßig warme Offenlebensräume wie beispielsweise magere Feuchtwiesen, Moorgebiete, Heidelandschaften, Uferzonen sowie Graben- und Wegränder des Feuchtgrünlands. Zudem wächst Succisa pratensis vereinzelt auch in der Krautschicht lichter sowie feuchter Waldstandorte und kommt in Höhenlagen von bis zu 1.300 Metern vor.

Ökologische Funktion

Der Gewöhnliche Teufelsabbiss dient vielen Blütenbesuchern wie Bienen und Schwebfliegen im Spätsommer als wichtige Nektarpflanze. Auch verschiedene Tagfalterarten ernähren sich von seinem Nektar. Dazu gehören der stark gefährdete Lungenenzian-Ameisenbläuling, der seltene Braunfleckige Perlmutterfalter, das gefährdete Feuchtwiesen-Widderchen, das Sechsfleck-Widderchen, das stark gefährdete Blaukernauge sowie das noch häufig vorkommende Große Ochsenauge. Zudem dient Succisa pratensis einigen Insektenarten als Raupennahrungspflanze. Die Larven der Nachtfalterart Gamma-Eule ernähren sich unter anderem vom Teufelsabbiss. Auf feuchten Standorten haben sich die Raupen des europaweit geschützten Goldenen Scheckenfalters (auch Abbiss-Scheckenfalter oder Skabiosen-Scheckenfalter genannt) auf die Blattrosetten von Succisa pratensis spezialisiert. Die Ortstreue dieses Falters sowie seine Bindung an spezielle Raupennahrungspflanzen wie den Gewöhnlichen Teufelsabbiss, sind der Grund für seine Seltenheit.

Verwendung als Gartenpflanze

Der Gewöhnliche Teufelsabbiss sollte nicht der Natur entnommen werden. Saatgut und Stauden der Art sind beim Garten- und Pflanzenversand erhältlich. Um den Lebensraum Moor zu erhalten, sollte beim Kauf darauf geachtet werden, dass die Pflanzen in torffreiem Substrat kultiviert wurden. An mageren, feuchten und hellen Standorten im Garten kann der Gewöhnliche Teufelsabbiss gut gedeihen und bis zu einem Meter hoch werden. In wenig gedüngten Staudenbeeten und Pflanzenkübeln erweist sich die Art als konkurrenzfähig und ausdauernd. Die jungen Triebe können beispielsweise roh in Salaten verwendet werden.

Verwendung als Arzneipflanze

Bereits in Handschriften des 15. Jahrhunderts wurden der Teufelsabbiss und seine Heilanwendungen zur Blutreinigung, bei Nierenschwäche sowie bei Bronchitis erwähnt. Verwendet werden Kraut und Wurzeln der Pflanze, die Saponine, Gerb-und Bitterstoffe (z.B. Glykoside) enthalten. Der Gewöhnliche Teufelsabbiss ist heutzutage unter anderem in Fertigarzneimitteln wie beispielsweise Blutreinigungstees enthalten. Die Homöopathie nutzt die Pflanze zur Wundheilung von chronischen Hautleiden wie Geschwüren und Ekzemen.

Gefährdung und Schutzmaßnahmen

Succisa pratensis steht in vielen Bundesländern auf der Roten Liste gefährdeter Farn- und Blütenpflanzen. Ihr Status reicht von »vom Aussterben bedroht« bis »Vorwarnliste«

 

  • Baden-Württemberg: ungefährdet
  • Bayern: ungefährdet
  • Berlin: stark gefährdet
  • Brandenburg: stark gefährdet
  • Bremen: gefährdet
  • Hamburg: vom Aussterben bedroht
  • Hessen: Vorwarnliste
  • Mecklenburg-Vorpommern: stark gefährdet
  • Niedersachsen: gefährdet
  • Nordrhein-Westfalen: gefährdet
  • Rheinland-Pfalz: ungefährdet
  • Saarland: ungefährdet
  • Sachsen: Vorwarnliste
  • Sachsen-Anhalt: gefährdet
  • Schleswig-Holstein: stark gefährdet
  • Thüringen: ungefährdet

Hauptursache für den Rückgang ist die großflächige Intensivierung von Feuchtgrünland, die in vielen Bereichen infolge von Düngereintrag auch die letzten Magerstandorte vernichtet hat. Als Schutzmaßnahme auf verbliebenen Reliktstandorten des Gewöhnlichen Teufelsabbisses sollte eine Düngung unterbleiben und ein Nährstoffeintrag aus benachbarten Flächen verhindert werden. Bei einer Nutzungsaufgabe von Offenland an Grenzstandorten ist jedoch eine regelmäßige Biotoppflege, z. B. durch Beweidung oder Mahd erforderlich, um eine Verbuschung zu verhindern. Nicht zuletzt aufgrund des hohen Wertes der Pflanze als Nahrungsquelle für bedrohte Falterarten sollte auf eine Mahd während der Blütezeit verzichtet werden.