Winterlinge –
der erste Duft des Jahres

Begegnung

Die früheste Begegnungen mit Winterlingen waren bescheidener Natur. Ein paar Pflänzchen, die mein Vater in den Brandenburger Sand setzte, ohne großen Erfolg. Erst viel später, in Oberbayern, begriff ich, was man mit Winterlingen alles machen kann, bzw. was die Winterlinge mit einem Garten anstellen können.

Erst Geduld, dann die Panik

Auch in Bayern begann es sehr zaghaft. Von den gekauften Knöllchen war die Hälfte vertrocknet. Das ist leider so üblich. Kommen die Knöllchen an die Luft, trocknen sie schnell aus. Auch das Einweichen hilft nur manchmal. Ein paar Winterlinge aber blühten und setzten Samen an. Drei Jahre später blühten auch die Sämlinge. Und so weiter und so fort. Es ist fast wie die Geschichte vom Erfinder des Schachspiels, der ein Getreidekorn auf dem ersten Feld als Belohnung verlangte, zwei auf dem zweiten, vier auf dem dritten, wohl wissend, dass für das 64. Feld die Ernte ganz Persiens nicht gelangt hätte. Bei den Winterlingen gibt es zum Glück einen begrenzenden Faktor: Die Dichte der Pflänzchen. Mit ihrer grünen Halskrause brauchen sie etwa 5 cm Abstand voneinander.

Hat man Winterlinge 15 Jahre im Garten, dann ist der Bestand so groß geworden, dass Nachbarn und Gartenfreude im Februar und März zu staunen beginnen und um Starthilfe bitten. Die kann man reichlich austeilen: Zunächst noch blühende Winterlinge, später abgeblühte, noch später Samen. Wichtig sind ein paar Hinweise.

Guter Rat ist nicht teuer

Erhält man Samen, dann sollte man ihn ohne zeitlichen Aufschub aussäen. Wohin? Unter Sträucher und Bäume, die ihr Laub abwerfen und die Frühlingssonne durch ihr Geäst lassen. Dort können sich die Winterlinge austoben, ohne andere Pflanzen zu belästigen. Die lose auf den Boden ausgestreuten Samen keimen im kommenden Winter. Liegt kein Schnee, kann man die Pflänzchen schon Ende Januar entdecken. Wehe, es wird unter den Gehölzen gehackt, dann ist alle Mühe umsonst gewesen. Zu leicht hält man die unscheinbaren Keimlinge für »Unkraut«. Wo Winterlinge stehen, darf überhaupt nicht gehackt werden! Die Keimlinge brauchen nun zwei bis drei Jahre bis zur ersten Blüte. Dann beginnt das Abenteuer Winterling.

Ausdrücklich sei davor gewarnt, Winterlinge auf Beeten mit sogenannten Prachtstauden anzusiedeln. Hier stören sie optisch, werden hinderlich bei der Pflege der Anlage und sie sind nicht wieder wegzukriegen.

Ansprüche an Boden und Licht

Ein nicht zu schwerer, nicht zu trockner Lehmboden, etwas kalkhaltig, sagt den Winterlingen zu. Licht brauchen sie nur während ihrer Vegetationszeit. Die endet mit dem Vergilben und Einziehen der Pflänzchen. Im Juni ist von den Winterlingen nichts mehr zu finden. Dann mag es so dunkel sein wie unter einer Rosskastanie, die Knöllchen machen ihren Sommerschlaf.

Bemerkenswerte Düfte

An einem milden, sonnigen Vorfrühlingstag werden die Winterlinge mit Begeisterung von den Bienen angenommen. Wahrscheinlich sind Winterlinge ihre erste Nektarquelle des Jahres. Noch nicht einmal die Schneeglöckchen sind ganz geöffnet. Woher wissen die Bienen, dass der Tisch so üppig gedeckt ist? Wer zur Zeit der Winterlingsblüte die gelbe Pracht in Augenschein nimmt, wird es verstehen. Ihr Duft ist überwältigend, süß und frisch, weit tragend, ein wenig an Stiefmütterchen-Duft erinnernd. Es ist der erste und stärkste Duft des Vorfrühlings, deutlich intensiver, als der von Schneeglöckchen.

Ein bisschen Botanik

Obwohl es in Deutschland Wildbestände großen Umfanges gibt, z. B. bei Jena, kommt unser Winterling, Eranthis hyemalis, aus Südeuropa. Wildvorkommen bei uns deuten auf alte Gärten hin. Bei Jena waren es Weinberge, über die Luther schrieb: Jene, ubi acetum crescit. Auf deutsch: Jena, wo der Essig wächst. Vielleicht hat man die Weinanlagen also aus gutem Grund aufgegeben. Aber die Winterlinge sind geblieben.

Es gibt noch eine zweite Art: Eranthis cilicica. Diese aus der Türken stammende Art hat feinere, federige Blättchen und einen roten Stiel. Eranthis cilicica blüht etwas später als der einfache Winterling und er hat einen nicht ganz so gewaltigen Ausbreitungsdrang.

Zu guter Letzt ein paar Hybriden

Gar keinen Samen können die Hybriden beider Arten bilden: Die Maultiere unter den Winterlingen. Es handelt sich um besonders großblütige und noch später blühende Sorten von Eranthis x tubergenii, z.B. die Sorten 'Glory' und 'Guinea Gold' mit leicht bronzefarbenen Blättern. Diese Sorten können nur vegetativ, durch Teilen, vermehrt werden. Das hat gewisse Vorteile. Es gibt mit ihnen keine Winterlings-Invasionen. Man kann sie sogar in Steinanlagen ansiedeln. Außerdem sind sie gärtnerische Kultursorten, während der echte Winterling die Tätigkeiten des Staudengärtners kaum tangiert.


Text von Christian Seiffert




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