Der Frühherbst und seine Gerüche

Wer jemals in seinem Leben einen reifen Gravensteiner-Apfel aus deutschen Landen gegessen und daran gerochen hat, der weiß, wie der Frühherbst duftet. Der Gravensteiner, ein mittelfrüher Apfel, ist unbestritten das köstlichste Apfelerlebnis. Selbst im Apfelmus bleibt der ungewöhnliche Duft der Früchte erhalten. Der Baum muss aber im kühlen Klima gewachsen sein. Versuche italienischen Obstbauern mit dieser Sorte scheitern am fehlenden Aroma, am fehlenden Duft im Weinbauklima.

Signalpflanze für den Frühherbst ist aber vor allem der Holunder, wieder einmal! Einmal hat ja schon seine Blüte den Frühsommer eingeläutet. Diesmal sind es die reifen schwarzen Fruchtdolden, die vom beginnenden Herbst künden.
Und so ist Hollersuppe vor allem eine Frühherbstdelikatesse. Doch man muss sich mit der Ernte sputen, sonst fallen lärmende Schwärme von Wacholderdrosseln über die Beeren her.

Von der ersten Herbstphase kündet auch ein zierliches Liliengewächs: auf feuchten Bergwiesen blühen nun die Herbstzeitlosen. Ihr Duft ist für uns Menschen nicht wahrnehmbar, vermutlich aber für einige Insekten. Wer Herbstzeitlosenduft im Garten haben möchte, dem sei die Art Colchicum cilicicum empfohlen. Am sonnigen Gehölzrand, der im Sommer trocken sein darf und auch sein soll, fühlt sich diese zierliche Herbstzeitlose aus der Türkei wohl, auch bei uns! Ein Frühherbstdufter ist sie allerdings nicht, denn sie blüht besonders spät, oft erst von Oktober bis Dezember, also im Spätherbst.

Immer wieder werden herbstblühende Krokusse mit den Herbstzeitlosen verwechselt. Das mag daran liegen, dass auch diese Krokusse teilweise ohne Blätter blühen. Ihre Blätter erscheinen erst im Frühling. Der einzige duftende Herbstkrokus, der Safran, botanisch Crocus sativus, gehört zu den wenigen Arten, die auch im Herbst schon Blätter entwickeln.

Funkien stehen in den meisten Gärten ihrer schönen Blattformen wegen. Und sie sind ziemlich schattenverträglich. Alle Funkien blühen aber auch, und eine Art duftet sogar köstlich. Die Lilienfunkie, Hosta plantaginea, gehört zu den stattlichen Frühherbstduftern.

Die Lilienfunkie steht gern etwas heller, ja sonnig, wenn der Boden nur ausreichend feucht ist. Und man braucht Geduld mit dieser Funkie, es dauert seine Zeit, sprich ein paar Jahre, bis sie üppig blüht und einen großen Horst bildet.

Und so geht es auch mit noch einer Staude, einer Staude für den schattigen Standort unter Gehölzen: Die September-Silberkerze. Cimicifuga ramosa entwickelt sich erst im Laufe der Jahre zu einer umfangreichere Staude, wenn ihr genügend Raum zur Verfügung steht. Die bis 2 m hohen Blütenkerzen duften angenehm, für manche Menschen etwas penetrant. Der Name Cimicifuga sagt schon eine ganze Menge. Er bedeutet eigentlich „Wanzenvertreiberin“ und das geschah wohl durch den Geruch dieser Pflanze. Von den vielen gartenwürdigen Silberkerzen soll Cimicifuga ramosa die schönste sein. Sie stammt von der Halbinsel Kamtschatka.

Besonders intensive Frühherbstdüfte kommen auch aus den Wäldern. Vom Regen durchtränkte Moose und Flechten, vor allem aber Pilze duften intensiv. Man riecht eben, wenn es Zeit ist Schwammerln zu suchen. Dabei werden die Gerüche nicht nur von den sichtbaren Pilzen abgesondert. Vor allem riecht das Mycel im Boden. Wer allerdings eine Begegnung besonderer Art mit der Stinkmorchel hat (Phallus impudicus), wird nicht mehr bestreiten, dass der obenirdische Pilz die Quelle allen Übels ist. Es stinkt bestialisch, 50 Meter gegen den Wind! Die Stinkmorchel ist als Jungpilz eßbar und heißt dann Hexenei. Das stinkt dann aber auch noch nicht!