Nachtdufter: „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da...“

…man kann auch einen Rundgang durch den Garten machen, die Glühwürmchen bestaunen und sich eine Nase voll köstlichster Düfte einverleiben. Düfte in der Nacht? Es gibt in der Tat viele Gehölze, Stauden und Kurzlebige, die darauf spezialisiert sind mit Nachtschwärmern und anderem nächtlichen Getier zu kooperieren. Viele Nachtpflanzen sind in den Tropen und Subtropen heimisch, etliche Freilandpflanzen gedeihen aber auch bei uns.

Im Mai, um chronologisch vorzugehen, erfreut uns nachts die zweijährige Mondviole Lunaria annua. Etwas später und viel intensiver duftend folgt das ausdauernde Silberblatt Lunaria rediviva. Fast regelmäßig blüht es im Sommer ein zweites Mal. Man muss wirklich nachts daran riechen, um den frischen, blumigen und leicht animalischen Duft zu erleben. Am Tage schweigen die Blüten. Eine dritte nah verwandte Staude ist Hesperis matronalis mit hellvioletten intensiv schwer und würzig nachtduftenden Blüten.

Es folgen einige Taglilien, die eigentlich Nachtlilien heißen müssten, denn meist blühen sie abends auf, durchblühen die Nacht, aber auch den folgenden Tag. Das beginnt mit Hemerocallis minor, mit zierlichem Laub und zierlicher gelber Blüte. Ihr folgt auf dem Fuße Hemerocallis lilioasphodelus, mit kräftigem Gelb und kräftigem Duft, der auch am Tage wahrnehmbar ist. Diese Art verwilderte einst in den Lechauen bei Augsburg, stammt aber ursprünglich aus Sibirien und China. Die Art Hemerocallis citrina, auch aus China, folgt im Hochsommer mit ebenfalls hellgelben sehr wohlriechenden Blüten. Noch einmal kann man den frischen, blumigen Taglilienduft im Spätsommer bei der Sorte 'Augustfreude' erleben, die wiederum auch hellgelb und weit leuchtend blüht.

Einen besonderen Reiz hat der nächtliche Duft einiger Nachtkerzen. Hinzu kommt bei den Nachtkerzen, dass man ihr Erblühen im Zeitraffertempo erleben kann. Wir haben es erlebt: Eine Abendgesellschaft, die das Reden und Trinken vergaß, als einige Pflanzen von Oenothera glazioviana (Oenothera biennis) aufzublühen begannen. Auf Stühlen saß man davor und schaute gebannt zu. Dieses nächtliche Schauspiel findet an den Abenden im Hochsommer statt.
Im Frühsommer gibt es ein vorgezogenes Nachtkerzen-Erlebnis, wenn Oenothera odorata erblüht. Sie ist niedriger als die zweijährige Nachtkerze, und sie ist eine Staude, wenn auch nicht von sehr langem Leben. Das kompensiert sie reichlich durch ständig neue Sämlinge. Bei leichtem Restlicht oder bei Mondschein strahlen einen die großen Blüten an, die einen lieblich animalischen Duft haben.
Typisch für alle nachtduftenden Pflanzen sind die hellen Farbtöne der Blüten. Während alles Rot nachts verschwindet, und das trifft auch für dunkles Blau zu, sind Hellgelb, Hellblau und natürlich Weiß auch bei spärlichstem Licht noch sichtbar und ein weiteres Lockmittel für die nachtfliegende Bestäuber.

Nach der Sommersonnenwende verkürzen sich ganz langsam wieder die Tage. Dafür erreicht nun die Sommerwärme ihren Höhepunkt. Auch in den Nächten. Regelmäßig zwischen Sommersonnenwende und Hochsommerbeginn blühen die Königslilien, Lilium regale auf . Die großen Trichterblüten zu mehreren an hohem Stiel sind entweder rein weiß oder innen weiß, außen bräunlich violett. Ihr Duft, nachts besonders intensiv, ist von unglaublicher Intensität: blumig, animalisch und sehr schwer.

Was aber wäre ein nächtlicher Duftgarten ohne jene Stauden aus den Tropen und den Subtropen, die bei uns leider nicht winterhart sind? Die Rede ist von der zauberhaften Wunderblume, Mirabilis jalapa, die kurz vor Sonnenuntergang erblüht. Die Blüten unterscheiden sich oft bei ein und derselben Pflanze in der Farbe, daher Wunderblume. Wunderbar aber ist vor allem der kräftige nächtliche Duft: Stark blumig, fruchtig und frisch. Übrigens, kurz nach dem Erblühen duftet die Wunderblume noch nicht. Ihr Duft meldet sich erst ein oder zwei Stunden später. Mirabilis jalapa bildet dicke Rüben, die man nach dem ersten Frost ausgräbt und wie Dahlienknollen überwintert.

Nicht vergessen darf man zwei Nicotiana-Arten, auch Stauden aus den Subtropen, die bei uns nicht winterhart sind: Der bis 1,50 m hohe Ziertabak Nicotiana sylvestris und der niedrigere Nicotiana alata. Welch ein nächtliches Vergnügen, diese Tabake im Dämmerlicht zu besuchen, die Nachtschwärmer bei ihrem Tun zu beobachten und dabei den wunderbaren Duft aufzunehmen. Und ein außergewöhnliches Erlebnis ist es, wenn in der Höhe auf einem Balkon der niedrige Nicotiana alata blüht und nachts der Duft wie ein Schleier herabfällt.

Ein Nachtdufter, der wirklich zu den Einjährigen gehört, ist der Stechapfel, Datura stramonium. Eine imposante Gestalt, die auf nahrhaftem Boden bis zu einem Meter hoch wird und weiße, manchmal bläuliche Trompetenblüten trägt. Er samt sich so reichlich aus, dass man sich um die Nachkommenschaft im nächsten Jahr nicht bemühen muss. Ursprünglich aus Mexiko, hat sich der Stechapfel über die ganze Welt verbreitet. War bei uns früher aber häufiger zu finden, z.B. auf Dreschplätzen.

Ein wirklich bei uns heimischer Nachtdufter ist die Aufrechte Clematis, Clematis recta. Sie kommt in lichten Eichenwäldern vor und an Gehölzrändern, gelegentlich zusammen mit dem Blutsstorchschnabel. Diese bis 1,50 m hohe Staude sollte sich an einen Zaun oder an Gehölze anlehnen können. Ihre reichblütige endständige Rispe duftet unwahrscheinlich stark und angenehm; eine weitere Nachtattraktion im Hochsommer.