Ysander und die duftende Verwandtschaft

1985 lud Augsburg zur Landesgartenschau ein. Im Gelände des kleinen aber feinen Botanischen Gartens entstanden verschiedene Themengärten, die u. a. an die römische Vergangenheit der Stadt erinnern sollten. Im starken Kontrast dazu wurde ein Japangarten gebaut. Gestalter waren japanische Gartenarchitekten. Wer einen wirklich guten, gelungenen Japangarten studieren möchte, in Augsburg hat er dazu Gelegenheit.

Mir fiel damals eine Pflanze auf, die von den Japanern großflächig verwendet worden war. Eine Pflanze, wie dafür gemacht, eine ruhige Schattenpartie zu schaffen. Es handelte sich um Pachysandra terminalis, eine immergrüne Pflanze aus China und Japan, die sich durch unterirdische Ausläufer auszubreiten vermag. Diese Japanerin, die deutsch Ysander genannt wird, blüht im April bis Mai in kleinen weißen Ähren, die leicht über dem Laub stehen.

Erst 20 Jahre später hielt mir Dieter Gaissmayer eine dieser Blüten unter die Nase. Und da waren wir uns ziemlich einig, sie duftete, und sogar leicht nach Flieder! Das war die erste Überraschung. Die zweite, dass Pachysandra zur Familie der Buchsverwandtschaft gehört. Und da kann man wieder einmal feststellen, dass der Duft häufiger eine Familieneigenschaft ist.

Ansprüche an Boden und Klima

Pachysandra terminalis möchte einen humosen Boden, der leicht sauer und nicht zu trocken ist. Sie ist schattenverträglich, steht gut im Halbschatten von Gehölzen. Dabei kommt ihr die Eigenschaft zugute, mit dem Falllaub fertig zu werden. Pachysandra schluckt das Laub. Und sie ist ein ausgesprochener Bodendecker, also in größeren zusammenhängenden Partien zu verwenden. Doch aus Nordamerika stammt eine zweite Ysander-Art, Pachysandra procumbens, die besser in „Mischkultur“ mit anderen Waldpflanzen stehen sollte. Ihre Blütenähren stehen in den Achseln der unteren Blätter. Und auch sie duften.

Und nun der Buchsbaum!

Eine Bekannte von mir kann Buchs nicht ausstehen, weil sein Geruch sie an Friedhöfe erinnert. Mich erinnern dagegen Thujen und Stiefmütterchen an Friedhöfe, ihr Geruch ist deswegen aber noch lange nicht unangenehm. Die Grabeinfassungen sind von Landschaft zu Landschaft unterschiedlich und so auch die Empfindungen der Menschen. In einigen Gebieten Thüringens heißt oder hieß der Buchs Totenkraut, während er anderswo als Buschbaum, Poschtbaam oder gar als Bocksboom bezeichnet wurde.

Bei einem Besuch des Schaugartens Hermannshof in Weinheim erstaunten mich Buchsbäume von ca. 10 m Höhe. Diese immergrünen Giganten stehen dort zwischen laubabwerfenden Gehölzen und geben dem Winterhalbjahr eine besondere Note. Ich fragte den Gärtner nach Stecklingen. Doch er gab mir nicht Stecklinge sondern Sämlinge, die in Massen zu Füßen der alten Bäume standen. Nur diese Sämlinge, sagte er, entwickeln richtige Bäume.

Diese Sämlinge haben inzwischen im oberbayerischen Garten eine Höhe von 3 m erreicht, stehen am Rande des Senkgartens zu Füßen einiger Kiefern und eines Goldregens. Eine Pflanzengemeinschaft, wie man sie gelegentlich im südalpinen Raum findet.

Buchsduft: Herb und animalisch

Seinen Blattduft kann man das ganze Jahr hindurch wahrnehmen, in der warmen Zeit allerdings mehr als im Winterhalbjahr. Es ist ein herber, vor allem aber animalischer Duft. Ein Duft, der einen guten Hintergrund für Rosen abgibt. Doch damit nicht genug. Im April, im Erstfrühling, öffnet der Buchs seine kleinen, unscheinbaren gelbgrünen Blüten: Ein frischer, lieblicher Duft auf einmal, im Kontrast zum animalischen Blattduft. Nicht weit davon stehen einige Apfelrosen, Rosa rubiginosa, die zur gleichen Zeit austreiben. Bei feuchtwarmem Wetter nimmt dieses Gehölz die ganze Rosen-Sommer-Freude vorweg. So intensiv duftet ihr Blattaustrieb und harmoniert mit dem benachbarten Buchs.

Vermehrung ist kein Problem

Wer den Buchs blühen lässt, d.h. ihn nicht schneidet, der braucht sich um Nachkommenschaft nicht zu bemühen. Überall im Garten und auf Kieswegen finden sich Sämlinge. Nicht allerdings von den Buchsen, die als geschnittene Einfassungen dienen. Aber hier fallen einmal im Jahr Massen an Stecklingen an. In Kästen, in Torfsandgemisch gesteckt, sind sie nach einem Jahr so gut bewurzelt, dass neue Hecken gepflanzt werden können. Buchs ist ungewöhnlich widerstandsfähig. Er verträgt Schatten wie Sonne, Trockenheit wie Nässe. Nur in einer Situation kann es ihm schlecht ergehen: wenn er in Töpfen im Freien steht und die Temperatur sehr weit unter den Gefrierpunkt sinkt.

Und noch eine Kalthauspflanze

Die Buchsverwandtschaft wäre unvollkommen beschrieben, verschwiege man die „Fleischbeere“. Hinter diesem scheußlichen Namen steckt eine Gattung, die den Namen Sarcococca trägt, was übersetzt wiederum Fleischbeere heißt. Manche Namensgeber machen es sich sehr leicht!

Leider sind die Vertreter dieser Gattung aus dem südlicheren China und dem Himalaja nicht ganz winterhart. Minus 10° C sollten nicht unterschritten werden. Nimmt man sie aber in ein Kalthaus (0 bis +5° C) dann kann man schon ab Januar große, schwere Düfte nach Honig, bei anderen nach Vanille genießen. Auch Sarcococca sind immergrüne Zwerggehölze, erinnern auch mit ihrer Blüte an Pachysandra.