Lerchensporn und Verwandtschaft

Selten trifft es sich so gut bei der ersten Begegnung: Ein Osterspaziergang? Nein, dafür war die Natur schon zu weit fortgeschritten. Es war jedenfalls ein Sonntagmorgen und ein Spaziergang an der Leine, jenem Flüsschen, das, weiter nördlich, durch Hannover fließt. Wir gingen durch einen Pappelwald und plötzlich wurden unsere Sinnesorgane in einem heftigen Dreiklang auf Frühling eingestellt. Die Ohren bekamen Nachtigallen-Gesänge zu hören, die Augen hellviolett-rosa und weiße Lerchensporne zu sehen und die Nase eine exotische Duftmischung, die ihresgleichen sucht. Was war das?

Zum ersten Mal wurde ich gewahr, dass sich öffnende Pappelknospen einen balsamischen Duft ausstrahlen. Und offenbar nicht nur jene Art, die den Balsam im Namen führt: Populus balsamifera. Aber die Pappeln allein brachten diesen Duftzauber nicht zustande. Niedergebeugt zu den abertausenden Lerchenspornen nahm die Nase eine zweite Komponente wahr, den fremdartigen herben, würzigen und animalischen Duft dieser Pflanzen.

Corydalis cava hatte es mir angetan. So wird dieser Lerchensporn botanisch genannt. Betont wird die 2. Silbe. Im Griechischen heißt die Haubenlerche „Korydos“. Und cava ist die weibliche Form vom lateinischen „cavus“ und bedeutet „hohl“. Wenn man nämlich in älteren Lerchenspornbeständen gräbt, kommen Knollen von Erbsen- bis Kartoffelgröße zum Vorschein. Die großen sind innen hohl!

Als mein bayerischer Garten noch sehr jungfräulich war, brachte mir ein Freund ein paar Dutzend Samenkörner aus seinem Garten mit. Er wollte mir damit eine Freude machen. Was ihm auch gelang, eine Zeit lang jedenfalls. Nach zwei Jahren blühten die Lerchensporne, weiß und dunkelrosa. Im Laufe der Jahre wurden die Pflanzen kräftiger und sie vermehrten sich reichlich durch Samen. Merkwürdig war, dass die weißen Lerchensporne immer mehr zunahmen, die rosa Formen aber nicht nur anteilmäßig, sondern absolut abnahmen.

Entscheidend: Der richtige Standort

Corydalis cava gehört zu den Erstfrühlingsblühern. Gleichzeitig blühen die Duftveilchen, Osterglocken und Hyazinthen. Die violetten Veilchen passen ausgesprochen schön zum weißen Lerchensporn, (auch duftmäßig!). Osterglocken vertragen sich gut, Hyazinthen dagegen wirken in solch einem Wildstaudenrevier im Halbschatten sommergrüner Gehölze fehl am Platze.

Man hüte sich davor, Lerchensporn auf Beetstaudenareale auswandern zu lassen. Er ist dort nicht wieder weg zu bekommen. Den Blütenstand bezeichnen die Botaniker als Traube. Sehr schnell setzen die Trauben Samen an. Bald darauf verschwinden die inzwischen gelb gewordenen oberirdischen Pflanzenteile. Professor Richard Hansen empfahl darum Gartenfreunden, Hosta und Lerchensporn miteinander zu kombinieren. Wenn der Lerchensporn geht, fangen die sehr späten Hosta zu treiben an.

Verwandtschaft zu Erdrauch, Schöllkraut und Tränendem Herz

Lerchenspornarten gibt es viele. Im „Zander“ werden 12 Arten aufgeführt, in der neuen Ausgabe der „Freiland-Schmuckstauden“ 32! Sie alle gehören zu den Erdrauchgewächsen, einer Unterfamilie der Mohngewächse. Nicht mehr zur Gattung Corydalis rechnen die Botaniker den „Gelben Lerchensporn“. Er heißt heute botanisch Pseudofumaria lutea (Fumaria ist der Erdrauch). Ich fand ihn in einem Höhleneingang in Oberitalien. Dort wuchs er im blanken Kalk bei sehr wenig Licht, hatte sich also einen Platz genommen, auf dem andere Pflanzen nicht mehr leben können. Und so kann man z.B. schattige Klinkerwege damit besiedeln. Hat das Haus daneben Risse im Putz, dann können bald auch in diesen Rissen Pflänzchen wachsen. Ja es kommt sogar vor, dass Gelber Lerchensporn kopfüber in Torbögen wächst! Auf jeden Fall ist es verkehrt, ihn zwischen Gehölzen anzusiedeln.

Neue Kostbarkeiten aus Ostasien

Dass auch heutzutage noch Pflanzen gefunden werden können, die sich als besonders gartengeeignet entpuppen, das zeigen die blau blühenden Lerchensporne. Erst 1986 wurde Corydalis flexuosa aus China eingeführt, und die Art Corydalis elata tauchte etwa zur gleichen Zeit auf. Beides wunderschöne Pflanzen. Corydalis elata hat dazu noch nach Bittermandel duftende Blüten! Corydalis flexuosa trug auch den Namen Corydalis balsamiflora, ein Hinweis, dass auch diese Art duftet?

Eines Tages zeigte die ARD einen Gerd Ruge-Film über Menschen, die im Norden Sibiriens leben, auf Böden, die im Untergrund permanent gefroren sind. Der Zufall wollte es, auf den Weideflächen konnte man zwischen Gräsern und Kräutern blau blühenden Lerchensporn sehen. Wozu das Fernsehen manchmal gut ist!


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