Hemerocallis – Taglilien

In fast allen Vorgärten des Heimatdorfes Jamlitz in Brandenburg stand eine braunorange blühende Taglilie. Trotz großer Trockenheit, trotz sandigem Boden existierte sie da nicht nur, sondern wucherte. Und weil sie so massenhaft vorkam und weil sie rostig-stumpf blühte, hat sie mich damals nicht sonderlich beeindruckt, ja ich fand sie eigentlich hässlich.

Doch die Zeiten ändern sich und auch die Einstellung zu Hemerocallis fulva, wie die Rostrote Taglilie wissenschaftlich heißt. Dazu mussten aber erst andere Taglilienarten kennengelernt werden.

Die Gelbe Taglilie blüht pro Blüte 60 Stunden!

Taglilien werden so genannt, weil die einzelne Blüte oft nur einen Tag anhält. Anders bei der zweiten entscheidenden Begegnung. Sie fand in einem Privatgarten bei Augsburg statt, im Garten des Pflanzenzeichners Richard Keller. Dort blühte eine lichte, besonders edel geformte gelbe Taglilie. Die kommt nicht weit von hier wild vor, vernahm ich mit Staunen.

Im Herbst grub Richard Keller einen ganzen Horst in seinem Garten aus und brachte ihn als Garten-Einweihungsgeschenk mit. Welch ein Geschenk! Denn zwischen Hemerocallis fulva und Hemerocallis lilioasphodelus liegen Welten. Es ist nicht nur die lichtgelbe Blüte, die edle Gestalt, es ist vor allem der sehr intensive, frische Duft, der diese Staude auszeichnet. Manche nennen den Duft „maiglöckchenhaft“, andere meinen, die Blüten duften nach Orangenblüte.

Auch was ihren Lebensraum anbelangt, unterscheiden sich diese beiden Taglilien gewaltig. Die eine im trockenen Sand durchaus lebensfähig und wuchernd, die andere in den Lech-Auen bei Augsburg verwildert, also an frischem bis feuchtem Standort.

Zu Namen und Geschichte

Auch wenn beide Arten sich bei uns zu Hause fühlen, ihre echte Heimat ist das ferne Ostasien. Von dort sind sie sehr früh nach Europa gelangt. Die erste Erwähnung beider Arten in der europäischen Literatur ist von 1570. Auch im „Hortus Eystettensis“ von 1613 sind beide Arten aufgeführt und mit bemerkenswerten Namen bedacht. Die Rostrote Taglilie heißt Lilium fatuum, die Todten-Lilie. Der Tod heißt aber fatum und nicht fatuum. Fatuum bedeutet dagegen blöd, albern und im Spätmittelalterlichen Latein dann fade. Die Gelbe Taglilie wird im „Hortus Eystettensis“ Asphodelus liliaceus genannt mit der deutschen Bezeichnung Gelb wol-riechende Asphodill-Lilie.

Etwas Botanik

Obwohl die Hemerocallis fulva, auch Bahnwärter-Taglilie genannt, reichlich im Früh- und Hochsommer blüht, ist sie außerstande, Samen zu bilden, sie ist eine absolut sterile Staude. Diese Taglilie vermehrt sich seit Jahrhunderten ausschließlich durch Ausläufer. Als es noch Bahnwärter gab, die Schranken und Signale bedienen mussten und in ihrer Freizeit gärtnerten, besiedelte diese Art manchmal ganze Bahnhänge. Daher der Name.

Wo in Ostasien diese Art beheimatet ist, das weiß man nicht. Wohl gibt es aber eine Unterart, eine Varietät, Hemerocallis fulva var. littorea, die eine der Eltern sein könnte. Sie kommt in Japan an grasigen Küsten vor. Eine gefüllte Sorte von Hemerocallis fulva hat wahrscheinlich der Japanforscher, Arzt und Botaniker Philipp Franz v. Siebold von seiner letzte Japanreise 1864 mit nach Europa gebracht. Sie trägt den japanischen Namen 'Kwanso', d.h., diese Form ist vermutlich bei den Japanern entstanden.

In Ostsibirien, Nordchina und Japan ist Hemerocallis lilioasphodelus beheimatet. Sie wächst dort auf feuchten Wiesen und in Auwäldern. Diese Gelbe Taglilie, in Europa verwildert, vermehrt sich an zusagendem Standort reichlich durch Ausläufer wie durch Samen. Hat man sie einmal im Garten, muss man mit ihrem Wanderungstrieb rechnen. Sie ist also keine Beetstaude, sondern gehört an den halbschattigen Gehölzrand oder auf eine frisch-feuchte Freifläche mit Wiesencharakter. Wunderschön passt Thalictrum aquilegifolium dazu, beide überschneiden sich mit ihrer Blüte im Juni. Die Gelbe Taglilie macht allerdings im Mai schon den Vorreiter.

Warum hat sich die Einstellung zur Rostroten Taglilie verändert?

Hat eine Staude die richtigen Nachbarn, entfaltet sie ihre ganze Schönheit. Allein gelassen machte diese Taglilie einen trostlosen „faden“ Eindruck (siehe Bezeichnung im Hortus Eystettensis). Aber versuchen Sie einmal, diese Taglilie mit dem Wiesenstorchschnabel zu vereinen: welch eine Harmonie zwischen dem Rostrot und dem Hellviolett-Blau von Geranium pratense! Dies nur ein Beispiel von vielen Verwendungsmöglichkeiten.


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