Ungepflegter Garten, Wildnisgarten

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Viele Gründe können eine Gartenkatastrophe bewirken. Neben Wühlmäusen, Buchsbaumzünslern und extremer Trockenheit ist es vor allem die Abwesenheit des Gärtners und seiner Frau oder überhaupt einer pflegenden Person. Vor Jahren hielt ich mich monatlich 10 Tage in Jamlitz auf. Seit 3 Jahren sind es weiterhin 10 Tage, aber nur noch viermal im Jahr. Von der regelmäßigen Erledigung notwendiger Arbeiten im Garten kann also keine Rede mehr sein. Entsprechend wild, wenn auch noch nicht verkommen, sieht der einmal vielversprechende Garten nun aus.

Und trotzdem! Es ist Mitte Juni 2025. Man registriert ja nicht nur die Katastrophen, sondern allenthalben die Nachwirkungen alter Gartenarbeit und alter Pflanztätigkeit. Zum Beispiel: Ganz von allein hätten sich die Glockenblumen (Campanula persicifolia) nicht angesiedelt. Mit wenigen hatte ich es versucht. Dieses Jahr die freudige Überraschung, eine beachtliche Ausbreitung weißer und blauer Glocken vorzufinden. Oder: Den Fingerhut (Digitalis purpurea) hatten wir völlig aus dem Auge verloren. Jetzt blüte er an kräftigen Stielen weiß und purpurn. Wenn er so kraftvoll blüht, wird er viel Samen entwickeln und für weitere Ausbreitung sorgen. Eine große Freude bereitete uns die Heidenelke (Dianthus deltoides). Während sie an Naturstandorten am besonnten Waldrand nur sehr vereinzelt auftritt, hat sie sich hier so rasant und dicht ausgebreitet, dass man kaum dazwischen gehen kann, ohne Blüten zu zertreten. Sehr passend im Jamlitzer Garten hat sich die Steppenwolfsmilch (Euphorbia seguieriana ssp. niciciana) vermehrt. Neben der Euphorbia cyparissias, die schon im Mai blüht, eine zweite Wolfsmilch mit Ausbreitungsdrang auf trockenem Sandboden.

Das größte Freudenspektakel lieferte bei unserem Kurzbesuch ein Gehölz. Es handelt sich nicht um ein Gehölz, sondern um ein Dutzend Sträucher, die im Juni ihre Blütezeit haben. Als ich vor ca. 20 Jahren mit der Zistrose (Cistus laurifolius) begann, betrachtete ich das als Versuch. Und das war es auch. Nach ein paar Jahren verabschiedete sich der gut entwickelte Strauch wohl wegen eines zu kalten Winters, oder Trockenheit oder beidem. Was ich in meiner Trauer übersah, waren einige Sämlinge. Von da an waren Zistrosen keine kostbaren »Importe« aus Illertissen mehr, sondern sich gern versamende Sträucher, die nicht nur uns, sondern auch Nachbarn Freude bereiten. Die weißen edlen Blüten beenden bereits am frühen Nachmittag Ihre Pracht, aber Tag für Tag wiederholt sich das Schauspiel, bis Ende Juni das große Reservoir an Knospen aufgebraucht ist. Cistus laurifolius ist zu Haus in Südosteuropa und am Mittelmeer. Für die Welt der Insekten handelt es sich aber nicht um »Exoten« sondern sie sind sehr begehrte Nektarlieferanten. Das trifft übrigens auch für die hübsche Hybride »Belle de Jour« zu. Ihre hellvioletten Blüten werden von Bienen geliebt. Sie ist schon eine ganz besondere Zistrose. Ihre kleinen graugrünen Blätter und ihre zierliche Gestalt sind dazu angetan, sie eher in einen kultivierten Garten zu pflanzen. Sie bildet als Naturhybride leider keine Samen, lässt sich aber sehr leicht durch Stecklinge vermehren. Zurück zu den loorbeerblättriger Zistrosen: Ihre Gestalten sind von wildem Charakter. Sie werden zum Teil über zwei Meterhoch. Ab und an stirbt ein Zweig ab. Aber Cistus laurifolius ist geradezu ideal für einen Wildnisgarten.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text und Fotos: Christian Seiffert