Stärkende und beruhigende Kräuter aus dem eigenen Garten

Text: Sina Schneider
Fotos: Sina Schneider und Staudengärtnerei Gaißmayer

Endlich erwachen Natur und Mensch zu neuem Leben. Die ersten Frühlingsblüher sind da, Knospen schlagen aus und auch der Bärlauch (Allium ursinum) schaut schon frischgrün und unverkennbar duftend aus der Erde. Oft starten wir Menschen nach den Wintermonaten etwas müde und strapaziert vom langen »Stubenhocken« in den Frühling. Da ist es sehr willkommen, dass der Garten uns mit immunstärkenden, Stress senkenden und beruhigenden Kräuter versorgen kann. Einige finden sich oft schon im eigenen Garten, wenn auch für andere Zwecke angepflanzt.

Was wäre zum Beispiel ein Küchengarten ohne Thymian (Thymus vulgaris)? Thymian ist nicht nur zum Würzen von Speisen wunderbar, sondern auch ein wertvoller Immunbooster. Das enthaltene Thymol und Carvacrol wirkt nämlich antibakteriell und antiviral auf unseren Körper. Besonders bei Erkrankungen der Atemwege wie etwa Bronchitis und Keuchhusten kann Thymian den Heilungsprozess unterstützen. Man gebe ein bis zwei Gramm getrocknetes Thymiankraut oder einen Esslöffel frisches Kraut auf eine Tasse (150-200 ml) heißes Wasser und decke sie mit einem Deckel ab. Lassen Sie den Tee fünf Minuten ziehen. So sollte man übrigens mit allen Kräutertees verfahren, denn die wichtigen (aber flüchtigen) ätherischen Öle werden so in Form von Kondenstropfen an der Unterseite des Deckels aufgefangen.

Vor einigen Jahren siedelte sich ein Holunderbusch im Garten meiner Mutter an. Vögel lieben Holunderbeeren und verteilen die Samen zuverlässig im Garten. Ende Mai blüht der Holunder (Sambucus nigra) in prächtigem Weiß. Der Sage nach wohnt die Göttin Holda im Holunder und beschützt mit ihrer Anwesenheit Haus und Hof. »Vor dem Holunder zieh den Hut herunter« lautet ein alter Spruch, der die Wertschätzung des Holunders widerspiegelt. In der Heilkunde finden bis heute Blüten und Beeren Verwendung. Sie enthalten Flavonoide und Schleimstoffe, wirken schweißtreibend, immunstimulierend und antioxidativ auf unseren Körper. Die Blüten werden gern für eine Schwitzkur bei Erkältungskrankheiten eingesetzt. Dafür überbrüht man zwei bis drei Gramm getrocknete oder einen Esslöffel frische Blüten mit 150-200ml heißem Wasser, deckt mit einem Deckel ab und lässt den Sud 5-10 Minuten ziehen. Der Tee sollte möglichst heiß getrunken werden.

Auch Holunderbeeren sind sehr gesund. Ich verarbeite sie am liebsten zu einem Sirup, den man während der Wintermonate regelmäßig als Stärkungstonikum zu sich nehmen kann. Einer meiner liebsten immunstärkenden Drinks ist ein Holunderblüten-Ingwer-Tonikum: Man schneide ein 1 cm großes Stück Ingwer klein und koche es mit 150- 200 ml Wasser auf. Sobald das Wasser kocht, nimmt man den Topf vom Herd und gibt 2-3 Gramm Holunderblüten hinzu. Nun deckt man den Sud ab und lässt ihn ca. 5-10 Minuten ziehen. Dann wird abgeseiht und der Saft einer halben Zitrone dazugegeben. Sie können das Tonikum, je nach Vorliebe, warm oder kalt genießen.

Auch das Süßholz (Glycyrrhiza glabra) ist ein sehr interessantes Kraut. Seit etwa zwei Jahren beschäftige ich mich intensiver damit. Aber eine Schwäche für Lakritz hatte ich eigentlich schon immer – und auch die Pflanze ist wunderschön. Die Samenstände sehen besonders dekorativ in der Vase aus. Aber das Süßholz hat weit mehr als Schönheit zu bieten. Einst war das ausläufertreibende Kraut häufig als Nutz- und Heilpflanze in Bauerngärten zu finden. Die Stadt Bamberg war (und ist es heute noch) bekannt für ihren Süßholzanbau. Es ist auch in unseren Breiten winterhart, allerdings wird eine Frühjahrspflanzung empfohlen. Verwendet wird die getrocknete Wurzel. Sie enthält Glycyrrhizinsäure und Flavonoide, die entzündungshemmend, schleimhautschützend und krampflösend wirken und besonders die Abheilung von Magengeschwüren und Katarrhen der oberen Atemwege unterstützen. Für einen Tee setzt man 1,5-3 Gramm getrocknete Süßholzwurzel mit einer Tasse kaltem Wasser auf, lässt den Sud kurz aufkochen und gießt dann ab. Gern kombiniere ich Süßholz auch mit anderen Kräutern wie etwa Minze, Fenchel oder Thymian. Man sollte aber darauf achten, dass Süßholz nicht länger als 4-6 Wochen verwendet und eine Tagesdosis von 5-15 Gramm nicht überschritten wird, denn ein zu hoher Konsum von Glycyrrhizinsäure kann zu erhöhtem Blutdruck oder Ödemen führen. Menschen mit hohem Blutdruck ist deshalb generell davon abzuraten, Süßholz zu verwenden.

Eine sehr reizvolle, eher weniger bekannte Staude ist die Rosenwurz (Rhodiola rosea). In meiner Zeit in Schweden habe ich bei Spaziergängen immer wieder wild wachsende Exemplare entdeckt. Rosenwurz wird auch als Ginseng des Nordens bezeichnet. Ich persönlich finde die Rosenwurz auch gärtnerisch interessant. Wunderschön macht sie sich in Steingärten und Felsspalten. Sie zählt zu den sogenannten Adaptogenen, einfach bezeichnet ist sie also ein »Stresskiller«. Besonders in den letzten Jahren wurde immer wieder über die stresssenkende und beruhigende Wirkung der Rosenwurz berichtet. Die angeschnittene Wurzel verströmt einen leichten Rosenduft – daher also der deutsche Name. Verwendet werden die frischen Blätter oder die getrocknete Wurzel in Form von Tinktur oder Tee. Für einen Tee wird 2-3 Gramm getrocknete Wurzel mit einer Tasse kaltem Wasser bis zum Siedepunkt erhitzt. Dann nimmt man den Sud vom Herd und lässt ihn (wie gelernt mit geschlossenem Deckel!) 10-15 Minuten ziehen.

Auch in den schattigen Ecken des Gartens fühlt sich die eine oder andere Heilpflanze wohl. So rankt das Kraut der Unsterblichkeit, Jiaogulan (Gynostemma pentahyllum), in einer Schattenecke an unserem Balkon empor. Im Garten wird eine Frühjahrspflanzung empfohlen. Der beeindruckende Name lässt schon auf seine nicht minder beeindruckende Wirkung schließen. Auch hierzulande findet Jiaogulan zunehmend Beachtung, während es in der traditionellen chinesischen Medizin von jeher verwendet wird. Wie Rhodiola rosea zählt Gynostemma pentaphyllum zu den Adaptogenen und wirkt besonders beruhigend und Stress senkend auf Körper und Geist. Einige der enthaltenen Saponine sind tatsächlich identisch mit denen des asiatischen Ginsengs – daher also die Bezeichnung »Ginseng des Nordens«. Im Unterschied zu Ginseng lässt sich Jiaogulan allerdings auch hierzulande problemlos kultivieren. Es wirkt beruhigend, herzstärkend und antioxidativ. Ich verwende die frischen Blätter auch gern in Salaten. Für einen Tee werden 2-3 Gramm getrocknetes Kraut oder 1 Esslöffel frisches Kraut mit einer Tasse heißem Wasser übergossen. Bei geschlossenem Deckel lässt man den Tee 5-10 Minuten ziehen. Meine beruhigend wirkende, sehr wohlschmeckende Lieblingstee-Mischung enthält außer Jiaogulan allerdings auch Zitronenmelisse und die echte Katzenminze (Nepeta cataria).

 

 

Quellen und weiterführende Literatur:
Adaptogens, David Winston & Steven Maimes, Healing Arts Press 2007
Herbal Antivirals, Stephen Harrod Buhner, Storey 2013
Leitfaden Phytotherapie, H. Schilcher & S. Kammerer & T.Wegener, 4.Auflage Urban& Fischer 2010
Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde, Ursel Bühring, Haug Verlag 2014


Text: Sina Schneider
Fotos: Sina Schneider und Staudengärtnerei Gaißmayer