... sonderlich zart von Pinsel
Ein Beitrag von Antje Peters-Reimann»Ich will dich loben, wie du's verdienst. Noch nie sah ich Blumen, die so frisch, so wohlgeordnet, so wunderschön vom Ruhm ihrer Malerin künden.« Mit diesen überschwänglichen Worten ehrte der Maler und Schriftsteller Johan van Gool im Jahr 1750 in seiner Sammlung niederländischer Künstlerbiografien eine ganz besondere Frau: die Stillleben-Malerin Rachel Ruysch (1664–1750). Ihre Gemälde mit prachtvollen, täuschend echt wirkenden Pflanzen und Früchten, Schmetterlingen und Insekten aus den verschiedensten Regionen der Welt verzaubern den Betrachter bis heute.
Ruysch war eine der bekanntesten und finanziell erfolgreichsten Malerinnen ihrer Zeit. Ihre Werke waren so gefragt, dass sie es sich leisten konnte, nur wenige Gemälde im Jahr anzufertigen. Sie war die Tochter des renommierten Professors für Anatomie und Botanik, Frederik Ruysch, und stammte mütterlicherseits aus einer Künstlerfamilie – mehrere ihrer Onkel und Großonkel waren ebenfalls Maler. Sie wurde zum ersten weiblichen Mitglied der Malergilde »Confrerie Pictura« ernannt und war seit 1708 Hofmalerin des in Düsseldorf residierenden Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz. Dieser war auch der Pate eines der zehn Kinder Rachels – ein Zeichen höchster Wertschätzung des Regenten.
Ruyschs künstlerische Laufbahn umfasste fast siebzig Jahre, wobei ihre ersten Bilder bereits in ihrer Kindheit entstanden und sie bis ins hohe Alter von über achtzig malte. Ihr Vater förderte früh ihre künstlerische Ausbildung bei Willem van Aelst, dem führenden Stillleben-Maler Amsterdams. Zudem orientierte sie sich an Jan Davidszoon de Heem, einem weiteren renommierten Blumen- und Früchtemaler des 17. Jahrhunderts. Auf deren Werken aufbauend entwickelte Ruysch ihren eigenen Stil, der nicht »nur« die Wirklichkeit abbildete, sondern sich aus verschiedenartigen Quellen speiste – darunter Zeichnungen und Abbildungen aus Büchern sowie aus Objekten in sogenannten »Wunderkammern« (den Vorläufern moderner Museen). Im botanischen Garten von Amsterdam, den ihr Vater leitete, lernte sie zudem exotische Pflanzen kennen, die aus Übersee nach Europa gelangt waren.
All diese Eindrücke verarbeitete sie collagenartig in ihren Blumen-, Früchte- und Waldbodenstillleben. In ihren Gemälden »arrangierte« sie heimische Pflanzen, die zu unterschiedlichen Jahreszeiten blühten, mit solchen, die aus den verschiedensten Teilen der Welt stammten – darunter regelrechte botanische Kostbarkeiten wie Passionsblumen, Blüten des Indischen Stechapfels (früher Engelstrompete genannt) und Aasblumen.
Neben den Pflanzen finden sich auf Rachel Ruyschs Gemälden auch zahlreiche Insekten, Amphibien und andere Tiere. So tummeln sich in ihren Blumenstillleben neben einheimischen Faltern auch ein blau schillernder Morphofalter aus Südamerika oder ein nordamerikanischer Schwalbenschwanz. Bei der Darstellung von Schmetterlingen nutzte Ruysch gelegentlich eine besondere Technik, die sie von dem Maler Otto Marseus van Schrieck übernommen hatte: Sie drückte in die noch feuchte Farbe des Bildes echte Schmetterlingsflügel. Beim Abziehen der Flügel blieben deren feine Schuppen und Härchen auf der Leinwand haften, wodurch ein äußerst realistisches Abbild des Insekts entstand.
Die Blüten- und Pflanzenpracht, die Ruysch auf die Leinwand bannte, ist feinmalerisch in ihrer Ausführung und mitunter fast fotorealistisch. Bisweilen zieren über vierzig verschiedene Pflanzenarten ihre Gemälde, die so gefragt waren, dass Kunden ihre Stillleben regelrecht vorbestellen mussten. So berichtet der Reiseschriftsteller Zacharias von Uffenbach, der Ruysch 1711 in ihrem Atelier besuchte: »Von der Frau fanden wir zum Glück zwey Stücke, denn sie hat sonst gar selten etwas fertiges, indem bey ihr alles auf ein Jahrlang hinaus bestellet wird. Sie waren beyde sehr schön, und sonderlich zart von Pinsel.«
Vater Frederik Ruysch, der den Kurfürsten Johann Wilhelm beim Ausbau seiner naturkundlichen Sammlung beriet, rühmte seine Tochter in einem Brief an den Regenten: Sie male »nach dem Leben, ohne von anderen zu kopieren«. Die Kunst Rachel Ruyschs hat schon Johann Wilhelm mehr als überzeugt – und auch wir Heutigen können uns an der Opulenz ihrer Stillleben kaum sattsehen.
Text und Fotos: Antje Peters-Reimann