Rosen... jenseits von Gut und Böse!
Ein Beitrag von Andreas BarlageHaben Sie auch die Nase voll von Schwarz-Weiß-Diskussionen? Jede Kleinigkeit wird auf den Prüfstand einer Bewertung gestellt und am Ende steht nur ein »Entweder/Oder«, bei dem keine Nuancen erlaubt sind. Entweder Veganer oder Fleischesser, entweder Hundefreund oder Katzenfan, entweder Öko-Gärtner oder Asphalt-Fetischist – und damit habe ich nur drei »unpolitische« Themen herausgegriffen, über die gestritten wird.
Ich bin das alles so leid! Kompromisslose Keilereien mit Argumentationskeulen machen noch nicht mal vor wenig verfänglichen Themen halt – etwa vor Rosen:
Seit der alarmierende Rückgang der Insektenfauna publik wurde, teilen viele Zeitgenossen sogar Rosensorten in »gut« und »böse« ein. Die »guten« sind die, die Insekten ernähren – sprich, deren Blüten möglichst viele Staubblätter mit Pollen freilegen. Die Blüten der »bösen« Rosen sind stark gefüllt und gelten als dekadenter Ausdruck menschlicher Hybris. Die einst so populären »Englischen Rosen«, um die sich alle gerissen haben, werden heutzutage geschmäht, wohingegen einfach blühende Sorten, die jahrzehntelang Ladenhüter waren, nun himmelhoch gehypt werden. Und dabei sind doch beide Rosentypen (und alle dazwischen) betörend schön!
Tauschen wir einfach mal die Begriffe »gut« und »böse« gegen »richtig« und »falsch« aus – nur so als Moralin-abführende Lockerungsübung – und fragen uns: Was sind denn nun die richtigen und was die falschen Rosen für einen Garten? Tja, das hängt einzig und allein von Ihnen und Ihren Vorlieben ab – und von dem, was Sie in oder von Ihrem Garten erwarten.
Dabei ist klar, dass ein Garten ist, was er ist: Weder pure Wildnis, noch rein konstruiert. Für mich ist er seit jeher die schönste Schnittstelle von Kultur und Natur und kommt weder ohne das eine noch das andere aus. Dabei lässt er reichlich Spielraum für die persönliche Ausgestaltung. Wenn wir gärtnern, schalten wir selbstverständlich unsere Verantwortlichkeit für Mitbewohner, die da kreuchen und fleuchen, nicht aus. Schließlich haben sie ein angestammtes »Wohnrecht«, das sehr viel älter ist als das von uns Menschen.
Und gerade das ist doch das eigentlich Faszinierende beim Gärtnern: Zusammenhänge zu begreifen, das Stück des Universums vor unserer Tür kennenzulernen und gerade mit diesem Potenzial zu gestalten. Gärtnern ist so viel mehr als das Produzieren von Nahrungsmitteln, Blümchendekor oder das Einrichten eines Freiluftzimmers.
Wir haben es in der Hand, uns auch Gefüllte-Rosen-Wonne zu verschaffen und gleichzeitig darauf zu achten, dass unsere Freunde im Netzwerk der Natur trotzdem nicht zu kurz kommen.
Es ist doch so einfach, es »richtig« zu machen – man braucht bei Rosen nur einen einzigen Auswahlfilter: Blattgesundheit. Verzichten Sie auf Sorten, die leicht von Pilzkrankheiten befallen werden, denn diese wären tatsächlich die »falschen« Rosen. Pflanzen Sie aus dem Sortiment widerstandsfähiger alter und neuer Sorten – bitte völlig ohne schlechtes Gewissen – die dicht gefüllt blühenden Rosen, die Sie mögen. Sie können mit Leichtigkeit flankierende Bienenweiden in Form von Trupps nicht gefüllter Rosen oder Stauden als Ergänzungspflanzung planen – manchmal reicht ein einziger reich- und dauerblühender Rambler mit einfachen Blüten als Gegengewicht aus. Und da Rosen nur Pollen bieten und keinen Nektar, sollten ohnehin etwa Patagonisches Eisenkraut, Ziersalbei, Katzenminze sowie Knautien oder Skabiosen in jedem Rosenbeet oder Pöttchen-Garten mit von der Partie sein. Dann haben auch Insekten, die auf Nektar angewiesen sind – beispielsweise Schmetterlinge – etwas davon.
Es ist immer das Gleiche: Ein polarisierendes und moralisierendes »Entweder du machst das 100%ig so, oder du bist ein Verräter der guten Sache!« führt zu Frust und Bitterkeit und ist als universeller Spaßverderber wohlbekannt. Wer sich so etwas bei jeder kleinen Detailfrage einreden lässt, landet schnell zu Unrecht auf der »Arme-Sünder-Bank«.
Ist nicht ein ausgewogenes »sowohl als auch« die weit entspanntere und souveränere Vorgehensweise?
Text und Fotos: Andreas Barlage