Mehr Licht!

Text: Christian Seiffert
Fotos: Syngenta Flowers https://www.syngentaflowers.com/de

Wenn die letzte Flasche angebraucht ist, wird der Schnaps zur Kostbarkeit. Wenn das Jahr zur Neige geht, ist das Licht Mangelware. Wir genießen die wenigen Stunden Tageslicht und wenn dann sogar die Sonne kurz scheint, werden Erinnerungen an Frühling und Sommer geweckt. Aber es ist schon ein gewaltiger Unterschied: Zur Sommersonnenwende 16 Stunden von Sonnenauf- bis untergang, und jetzt nur noch 8 Stunden. Kann man sich zur Zeit ganz und gar nicht auf Klimadaten verlassen, der Lichtwechsel im Laufe des Jahres bleibt, wie er ist, zumindest in von Menschen absehbarer Zeit.

Und wir Menschen tun uns damit schwer. Wir beleuchten hemmungslos, wir zünden Kerzen an, wir feiern Weihnachten, was letztlich ein Wiedergeburtsfest ist, das Kind und das Licht, das dann wieder von Tag zu Tag mehr wird. Der Tag nimmt zu: um Neujahr einen Hahnenschrei, Dreikönige einen Hirschsprung und zu Lichtmess eine ganze Stund.

Über die Bedeutung des Lichtes für das Leben insgesamt brauche ich mich unter Gärtnern und Gartenfreunden nicht auszulassen. Stichwort Assimilation: Kohlendioxid und Wasser plus Sonnenlicht gleich Zucker. Wie wichtig das Licht aber auch zur Steuerung von Lebensfunktionen ist, dazu hier ein paar Zeilen:

Wie kommt es, dass Chrysanthemen, Gladiolen und Dahlien erst im Vollherbst blühen, wieso darf man Knollenfenchel und Chinakohl erst im Juli säen? Dagegen bauen wir Spinat und Feldsalat im Winterhalbjahr an. Es geht um unseren richtigen Umgang mit den sog. Kurz- und Langtagspflanzen, eine Anpassung der Pflanzenwelt an die verschiedenen Lichtverhältnisse auf der Erde. Die Langtagspflanze Spinat schießt und blüht bei langem Tag im Sommer. Genauso würden sich Fenchel, Endivien, Chinakohl und Feldsalat verhalten. Dahlien und Chrysanthemen sind Kurztagspflanzen, an den kurzen Tag der Regionen gewöhnt, aus denen sie stammen. Erst im Herbst mit kürzer werdenden Tagen bilden sie Knospen. Doch nun mach' ich die Verwirrung komplett: Für die meisten Praktiker ist folgendes zwar egal, für die Pflanzenphysiologen aber ganz und gar nicht: Die Kurztagspflanzen sind nämlich eigentlich Langnachtpflanzen und die Langtagpflanzen Kurznachtpflanzen. Steuern tut nämlich nicht das Licht, sondern das Nicht-Licht, sprich die Nacht. Die Länge der Dunkelheit ist entscheidend. Wird im Gewächshaus eine lange Dunkelheit mit Kunstlicht unterbrochen, dann verhalten sich die Pflanzen wie bei kurzer Dunkelheit.

Nun doch noch etwas Weihnachtliches: Leicht stößt man in den Tropen oder Subtropen auf eine schöne Pflanze namens Euphorbia pulcherrima. Ein 3 bis 4 m hoher Busch mit großen roten Blüten, die man nur von unten betrachten kann, denn sie öffnen sich nach oben, zur Sonne. So prächtig also kann sich die hierzulande Weihnachtsstern genannte Pflanze entwickeln, die bei uns vor dem Fest als kleine Topfpflanze zu bekommen ist. Kann man sie auch bei uns zu einem Busch heranwachsen lassen? Im Prinzip ja, aber man braucht dazu ein sonnendurchflutetes Warmhaus, das sich zudem komplett verdunkeln lässt. Denn der Weihnachtsstern, er stammt aus Mexiko, ist eine ausgesprochene Kurztags- also Langnachtpflanze. Darum ist er auch bei uns zur Weihnachtsblume geworden. Um ihn aber in solchen Massen in ziemlich kurzer Zeit auf den Markt bringen zu können, bedarf es Licht- bzw. Dunkelheit-gesteuerte Großanlagen der Sparte Zierpflanzenbau.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text: Christian Seiffert
Fotos: Syngenta Flowers https://www.syngentaflowers.com/de