Hyazinthenzwiebeln – viel zu schade zum Wegwerfen!
Ein Beitrag von Wolfram FrankeWährend meiner Gärtnerlehre in einer Blumen- und Zierpflanzengärtnerei trieben wir Hyazinthenzwiebeln zum Blühen heran. Wir pflanzten sie im September in 10-cm-Töpfe in eine Mischung aus lehmiger Erde, Torf und Sand. Danach wurden die Töpfe dicht an dicht auf den Boden eines Frühbeetkastens gestellt und mit einer 30 Zentimeter dicke Lage Laub zugedeckt.
Im Dezember musste ich dann an einer Stelle das gefrorene Laub vorsichtig entfernen und an den »Nasen«, also den Knospen tasten, wie weit die darin befindliche Blüte schon entwickelt war. Die »Nasen« mussten dann schon gut fünf Zentimeter lang sein. Wenn ich sie mit Daumen und Zeigefinger leicht zusammendrückte, konnte ich die darin befindliche, noch zusammengefaltete Knospe spüren. Dann holte ich die Töpfe aus dem Winterquartier heraus und stellte sie im temperierten Gewächshaus bei 10 °C auf und deckte sie vorerst noch vor dem Licht ab. Nachdem sie ein paar Tage lang gewachsen waren, wurden die Hyazinthen aufgedeckt, am besten an einem Tag mit bedecktem Himmel. Bald färbten sich die Blätter grün, sie öffneten sich, und die noch geschlossenen Blütenstände traten hervor. Dann dauerte es nicht mehr lange, bis sie sich öffneten, ihre volle Schönheit zeigten und das Gewächshaus mit ihrem Duft erfüllten. Natürlich nahm ich zu Weihnachten – gegen Bezahlung! – eine Hyazinthe mit nach Hause und stellte sie meinen Eltern unter den Weihnachtsbaum, wo sie uns erfreute und im weihnachtlichen Wohnzimmer ihren süßen Duft verbreitete.
Abgeschnittene Blüten, entsorgte Zwiebeln
In meinem Lehrbetrieb wurden die Hyazinthenblüten mitunter abgeschnitten und in der Floristik, zum Beispiel in Beerdigungskränzen, verarbeitet. Die zurückbleibenden Zwiebeln wurden einfach weggeworfen, auf einen Haufen am Rand der Gärtnerei. Mir tat das leid. Ich nahm mir heimlich ein paar dieser Zwiebeln mit nach Hause und pflanzte sie im Garten meiner Eltern aus.
Und siehe da: Ein Jahr später trieben die Zwiebeln aus und blühten. Die Blütenstände waren zwar klein, aber nicht weniger schön.
Hyazinthen im Blumenkorso
Viele Jahre später, als ich schon Redakteur bei einer großen Gartenzeitschrift war, wurde ich zu einer Presserundfahrt nach Leiden in die Niederlande eingeladen. Dort findet alljährlich zur Blütezeit der Hyazinthen und anderer Zwiebelblumen ein Blumenkorso statt. Die Wagen sind über und über mit Blumen geschmückt, darunter auch viele Hyazinthen. Rund herum in Limmen und anderen Orten Nordhollands drängten sich die Hyazinthen in den Vorgärten.
Auf mich wirkte diese zusammengedrängte Fülle geradezu wuchtiger Hyazinthenblüten unnatürlich, eher abschreckend. Es war einfach zu viel! Die einzelnen Blütenstände kommen so nicht mehr zur Geltung.
Zwiebeln treiben im Laubkompost
Seit ich einen eigenen Garten habe, treibe ich selber Hyazinthen heran, so wie ich es in meinem Lehrbetrieb gelernt habe. Ich kaufe die Zwiebeln, sobald sie Ende August angeboten werden, topfe sie in eine Mischung aus Gartenerde, Kompost und Sand und grabe sie in meinen Laubkompost ein. Kurz nach dem Neujahrstag hole ich die ersten heraus. Zunächst werden sie im Wohnzimmer noch mit Papierhütchen abgedeckt, doch die kann ich bald wieder abnehmen und die Töpfe ans Licht stellen, wo sie sich entfalten und den Raum mit ihrem Duft erfüllen, ein, zwei Wochen lang. Dann schneide ich die welken Blütenstände ab, stelle die Töpfe in unser unbeheiztes Erdgewächshaus, wo die Blätter allmählich einziehen.
Einfacher als die aus meiner Lehrzeit übernommene Methode wäre es, die Zwiebeln auf ein Hyzinthenglas zu stellen und dort zu treiben. Doch damit habe ich nie Glück gehabt. Außerdem widerstrebt mir diese unnatürliche Methode. »Hyazinthen sind Pflanzen, und die brauchen Erde!«, lautet meine vielleicht altbackene Meinung.
Zierliche Hyazinthenblüten im Garten
Sobald der Boden offen ist, pflanze ich die Zwiebeln aus, irgendwo zwischen die Stauden, wo gerade noch Platz ist. Ein Jahr später blühen sie, zwar nicht so üppig wie einst herangetrieben im Topf, aber nicht weniger anmutig. Auf jeden Fall schöner, als wenn ich die üppig blühenden Hyazinthen (wie in Nordholland gesehen) ausgepflanzt hätte. Die sind im Wohnzimmer auf der Fensterbank schön, aber in meinem naturnahen Garten wirken sie auf mich wie Fremdkörper. In diesem Jahr sind sie gerade rechtzeitig nach dem Verblühen der Krokusse, Märzenbecher und Schneeglöckchen aufgeblüht.
Text und Fotos: Wolfram Franke