Ein liebreizender Trockenkünstler und Insektenfreund

Text: Michael Schwerdtfeger
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer

Die Pflanzenfamilie der Lippenblütler hat allgemein viele Insektenmagneten zu bieten. Pollen bieten die Lippenblütler in ihren vier Staubblättern (bei Salbei sogar nur zwei!) allerdings äußerst sparsam an. Ihre Blüten sind an den Besuch durch Bienen angepasst, die sich auf die Unterlippe setzen, den Rüssel nach dem Nektar am Grund der Röhre ausstrecken und dabei ein bisschen Pollen »hinterrücks« angeheftet bekommen. Aus Sicht der Biene oft zu wenig, um ihn effektiv zu sammeln, aus Sicht der Pflanze gerade genug, um bei der nächsten Blüte die Bestäubung zu vollziehen.

Was sie an Pollen geizen, machen sie an Quantität und Qualität des Nektars wett. Und wie beliebt viele Lippenblütler bei Honigbienen und Hummeln sind, können wir an Gartenpflanzen wie Melisse, Bohnenkraut, Rosmarin, Salbei und Thymian gut beobachten. Der Pflanzenname Melissa stammt aus dem Griechischen und bedeutet nichts anderes als »Biene«.

Stachys recta kam mit den Römern in unsere Breiten, dennoch hat er sich in unseren Nutz- und Kräutergärten nicht recht durchgesetzt. Er hat kein nennenswertes Aroma und ist wohl kaum eine Heilpflanze gewesen, eher noch eines der »Beschreikräuter«, mit denen unsere Vorfahren neugeborene Kinder gegen Hexenwerk, den Bösen Blick und anderes Unheil schützen wollten.

Vor allem aber ist dieser attraktive »Trockenkünstler« eine fantastische Insektenpflanze. Nicht nur Hummeln und die Große Wollbiene, auch viele andere seltene Wildbienenarten stellen sich an den Blüten ein. Der Nektar ist offenbar so gehaltvoll, dass selbst die massigen Holzbienen ihn sammeln.

In der heimischen Natur ist die Art selten, wir finden sie nur auf den magersten, steinigsten Hängen, auf Kalk- und Basaltklippen oder auf Mauern, wo sie sich in die schmalste Ritze krallen und von wer-weiß-woher ihr Wasser beziehen. So wachsen sie auch im Garten am liebsten: auf sonnigen, trockenen Hügeln, im Steingarten, im Schotter, oder, sich selbst versamend, in den Fugen des Wegpflasters. Der Aufrechte Ziest: ein Klimaheld, der nach dem Anwachsen offenbar nie wieder einen Tropfen Wasser braucht. Und ein Must-Have für unsere Wildbienen! 

Michael Schwerdtfeger
Vollblutbiologe Dr. Michael Schwerdtfeger, geboren 1964 im plattdeutschen Flachland zwischen Weser und Lüneburger Heide, träumte er von Sielmann und Grzimek, von Abenteuern mit Pflanzen und Tieren in fremden Ländern.
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Text: Michael Schwerdtfeger
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer