Gärtner- und Botanikernamen in Pflanzennamen verewigt

Text: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer

Pflanzen den Namen von Persönlichkeiten zu geben, ist allgemeiner Brauch unter Gärtnern aber auch unter Botanikern. Ob man sich, beziehungsweise der Pflanzenart oder Sorte damit einen Gefallen tut? Entscheiden kann es nur die Nachwelt. Manchmal hat es geklappt, manchmal nicht. Mme. Boll und Mme. Knorr sind wunderschöne Portlandrosen, noch heute im Handel. Aber sind das schöne Namen? Und wie ist es mit Botanikernamen bestellt, wie Schlumbergera, Dieffenbachia oder Thunbergia?

Sind Namen verkaufsfördernd? Oder sollen sie nur ein gutes Licht auf den Namensgeber werfen? Goethe wurde von der Gärtnerzunft zu seinen Lebzeiten viermal mit Nelken geehrt, die „Göthe“ genannt wurden, mit Ö geschrieben. Ein fünftes Mal, ein Jahr vor seinem Tode, wurde ein „Geheimrat von“ davor gesetzt.
Auch die Dahlienzüchter waren großzügig oder wollten vom Glanz des Dichterfürsten etwas auf ihre Pflanzen lenken. Dahlien hießen damals noch Georginen. Ein weimarer Züchter namens Dreyssig nannte seine gefüllte purpurne Georgine „Dreyssigs Göthe“, womit es ihm gelang, nicht nur Goethe zu ehren. Er setzte sich auch selbst in eine vorteilhafte Nachbarschaft zum Geheimen Rat. Bis 1832 folgen noch zwei weitere Georginen namens „Göthe“.

Hat es so etwas wie Sorten- beziehungsweise Namenschutz nicht gegeben? Nun, es waren öfter Privatpersonen, nicht immer gleich Gartenbaubetriebe, die hinter den Namengebungen steckten. Vielleicht wussten sie nicht voneinander. Und außerdem waren solche Nelken- und Dahlienzüchtungen sehr vergängliche Kreationen. Später wurden noch fünf Georginen, die dann bald Dahlien hießen, in einen Namenszusammenhang mit Goethe gebracht. Die Züchtung eines thüringer Gärtners aus der Gegend von Gera erhielt den Namen „Der 28. August“. Also ein Name zum 100. Geburtstag von Goethe.

Dauerhafter sind Gehölze. Die Kunst- und Handelsgärtnerei Seidel in Dresden, die sich im 19. Jahrhundert mit ihrer Kamelienzucht einen Namen machte, konzentrierte sich im 20. Jahrhundert auf Rhododendron. 1932, 100 Jahre nach Goethes Tod, erhielt eine Rhododendronhybride den Namen „Goethe“.

Im selben Jahr taufte die Rosenschule Wilhelm Pfitzer in Fellbach, Württemberg, eine rosa Remontant-Rose auf „Wolfgang von Goethe“. Ob sie noch im Handel ist? Auf jeden Fall kann man sie im Rosarium Sangerhausen anschauen. Eine 1911 auf „Goethe“ getaufte reichblühende Moosrose wird noch heute angeboten. Sie hat magentarosa Blüten, ihr Holz und ihre Stacheln sind auffällig rotbraun. Moosrosen gehören zur Gruppe der Centifolien. Die Sorte „Goethe“ wurde vom Rosenzüchter Peter Lambert in Trier herausgebracht. Lambert gehörte zu den großen Rosenzüchtern Ende des 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Er war Mitbegründer des schon erwähnten Rosariums in Sangerhausen.

1901 wurde ein Wettbewerb für Rosenzüchter ausgeschrieben. Man wollte eine neue Sorte aus der Taufe heben, die es wert und würdig war, den Namen „Fürst Bismarck“ zu erhalten. Kein einziger Züchter bekam den Preis. Die Ansprüche waren offenbar äußerst hoch. Der trierer Züchter Lambert hatte eine weiße Edelrose eingereicht, die ebenfalls als unbrauchbar durchfiel. Ausgerechnet diese Rose aber erfreut sich noch heute großer Beliebtheit, wenn sie auch einen Makel hat: sie duftet nicht. Namensmäßig hat diese Remontantrose eine tolle Geschichte hinter sich.

Mit „Fürst Bismarck“ war es also nichts geworden. Da nannte Lambert sie „Schneekönigin“. Hätte er es dabei nur belassen! Zwei Jahre später gab er ihr den sinnigen Namen „Frau Karl Druschki“. Karl Druschki war Anfang des 20. Jahrhunderts Präsident des Vereins deutscher Rosenfreunde. Leider wissen wir nicht, wie seine Frau mit Vornamen hieß. „Frau Karl Druschki“ klingt schon sehr komisch. Aber die Rose wird noch heute unter diesem Namen gehandelt!

Im ersten Weltkrieg allerdings musste sie vorübergehend umgetauft werden. Da waren deutsche Namen im Ausland verpönt und nicht sehr verkaufsfördernd. „Snow Queen“ hieß sie in dieser Zeit und heißt sie wohl noch heute in England, „Reine des Neiges“ in Frankreich, „White American Beauty“ in USA.  In Deutschland wurde sie bald nach dem ersten Weltkrieg wieder umgetauft in „Frau Karl Druschki“. Und wer wüßte heute noch etwas von Karl Druschki, wenn es diese so gesunde und schöne weiße Rose nicht gäbe.

Wir müssen noch einmal auf Goethe zu sprechen kommen. Sortennamen, also gärtnerische Benennungen kommen und gehen. Etwas ganz anderes sind botanische Benennungen. Botanische Benennungen sind von sehr dauerhafter Natur, zumindest so lange, bis sich herausstellt, dass die beschriebene Art früher schon einmal beschrieben und veröffentlicht wurde.

1821 beschäftigten sich der bonner Botaniker Nees von Esenbeck und der münchner Botaniker Phillip von Martius mit einer Gattung aus der Familie der Malvengewächse. Goethe hätte es zwar nicht nötig gehabt, aber die beiden tauften die neue Gattung „Goethea“. Und so heißt sie auch heute noch. Bemerkenswert ist der in diesem Zusammenhang entstandene Briefwechsel, den wir hier auszugsweise wiedergeben wollen. Nees von Esenbeck schreibt am 5. April 1823 an Goethe: „Ich habe gewagt, den teuren Namen, der in so vielen Herzen lebt, an eine Pflanzengattung zu verleihen, weil es dem Botaniker wohltut, die Häupter und Förderer seiner Wissenschaft unter frischen Pflanzen symbolisch anzureden und gleichsam grünend und blühend vor sich zu sehen.“
Und Goethe antwortet am 24. April 1823: „Daß sie mich bei einer so herrlich ausgezeichneten Pflanze zum Gevattersmann berufen und meinem Namen dadurch eine so schöne Stelle unter den wissenschaftlichen Gegenständen anweisen, ist, wie sie selbst fühlen und bemerken, im gegenwärtigen Augenblick doppelt rührend und eingänglich.“

Im September desselben Jahres erhält Goethe von Nees von Esenbeck eine große Blume gesandt. Wir dürfen annehmen, dass es sich um eine Goethea cauliflora gehandelt hat. Cauliflora bedeutet stängelblütig. Goethea cauliflora, ein Malvengewächs, stammt aus Brasilien. Es blüht direkt am alten Holz, stängelblütig also, so wie es von der Cacaopflanze bekannt ist. Die Blüten werden von Kolibris bestäubt.

Sieben Jahre zuvor, im Oktober 1816 erreichte das russische Expeditionsschiff „Rurik“ nach einjähriger Weltumseglung die kalifornische Küste. An Bord zwei frustrierte Naturwissenschaftler, die auf dem Militärschiff nach allen Regeln der Kunst bei ihrer Arbeit behindert wurden. Der eine war Adelbert von Chamisso, der uns vor allem als Schriftsteller bekannt ist, der andere hieß Johann Friedrich Eschscholtz, war Schiffsarzt und Zoologe. Der Name Eschscholtz ist den Gärtnern und botanisch Interessierten vertraut. Eschscholtzia californica nämlich heißt der kalifornische Goldmohn in der Wissenschaftssprache. Chamisso hat die Pflanze beschrieben und ihr den Namen seines Freundes und Wegbegleiters gegeben. Hinter Eschscholtzia californica steht das Kürzel Cham. für Chamisso.

Zwei Wörter, ein Name. Das ist durchgängiges Prinzip der wissenschaftlichen Benennung von Pflanzen und Tieren seit Carl von Linné. 1735 veröffentlichte er sein System und wurde promt von Botanikern seiner Zeit dafür angegriffen und angefeindet. Eine Ausnahme war der Zeitgenosse Jean-Jaques Rousseau. Unter Pflanzenfreunden ist er bekannt durch seine 10 botanischen Lehrbriefe, mit denen er einer befreundeten jungen Dame, Madeleine Delessert-Boy de la Tour die höheren botanischen Weihen zukommen ließ. Im 9. Botanischen Brief schreibt er über die botanische Nomenklatur aus der Zeit vor Linné: „Wie unverständlich und plump das alles war - diese häßlichen Wortfolgen, Satzperioden! Um zu beweisen, daß ich wirklich nicht übertreibe, will ich nur eine davon zitieren: Gramen myloicophorum carolinianum, seu gramen altissimum panicula maxima speciosa, e spicis myjoribus .... und so weiter und so weiter. Und dann schreibt er: „Hätte man diese Praktiken nicht aufgegeben, wäre dies das Ende unserer Botanik gewesen, nicht wahr? Unerträglich war dieser Zustand geworden. Eine Erneuerung war lebensnotwendig.....“

Carl von Linné verwendete alte lateinische und griechische Pflanzennamen, wie zum Beispiel Viola, Dianthus, Narcissus für Veilchen, Nelke und Narzisse. Aber nur Bruchteile der Pflanzenwelt, mit der er sich im 18. Jahrhundert zu befassen hatte, waren den Griechen und Römern vertraut. Und immer mehr Pflanzen wurden in dieser Zeit entdeckt und sollten einen Namen bekommen. So musste Linné also auch neue Namen erfinden. Und damit kommen wir zu einem Phänomen: Er verewigte Wissenschaftler seiner Zeit und auch solche weit vor seiner Zeit. Das eigentlich verwunderliche daran ist: obwohl sie höchst künstlich waren, leben die Namen noch heute und sogar im Volksmund als allgemein bekannte Namen für verschiedene Pflanzen.

Eine Kamelie ist eine Kamelie. Keiner wird daran zweifeln. Vor Linné aber hatte die Kamelie in Europa keinen Namen. Die ersten Exemplare dieses Gehölzes waren ja auch erst in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts nach Europa gebracht worden. Linné suchte und fand: Er fand Meldungen vom Jesuitenpater Georg Joseph Kamel, der auf den Philippinen nicht nur missionierte, sondern als gelernter Apotheker auch botanisierte. Von Kamel stammen die ersten Beschreibungen dieser Gattung aus der Sicht eines Europäers. Latinisiert wurde die Gattung Camellia genannt, im Deutschen wurde daraus Kamelie, was wieder dem ursprünglichen Namen Kamel gleicht.
Über die Fuchsien brauchen wir uns hier nicht länger auszulassen, Linné ehrte damit den Arzt und Botaniker Leonhart Fuchs, dessen 500.sten Geburtstag wir 2001 feierten. Und wieder erstaunt, wie sehr das Kunstwort Fuchsia in die Volkssprache aufgenommen wurde. So wird diese hübsche Topfpflanze im Waldviertel Fuxnstock genannt, in der Pfalz Fuchselche, Fuxn im Bömerwald. Der Namensforscher Marzell nimmt an, dass für die meisten Menschen das Tier, der rote Fuchs dahintersteckt, denn Fuchsien blühen ja überwiegend rot.

So volkstümlich freilich wurden nicht alle Namen, die Linné an Pflanzen vergab.

In Gärtnerkreisen ist die Bezeichnung „Rudbeckia“ für eine Gruppe amerikanischer Präriestauden selbstverständlich. Auf den Märkten aber heißen sie Sonnenhut oder Goldball. Karl Foerster, der dem Volke aufs Maul schaute, ergänzte mit Namen wie Goldstrahl und Herbstsonne. Namen, die sich allerdings immer auf ganz bestimmte Sorten beziehen.

So lebt Olav Rudbeck nur in eingeweihten Kreisen in der Rudbeckie fort. Rudbeck der Ältere, 1630 bis 1702, war Professor der Anatomie und Gründer des Botanischen Gartens an der ältesten Universität Schwedens in Upsala. Für Linné, an selber Stelle zunächst auch als Anatomieprofessor tätig, war Rudbeck also ein verehrenswürdiger Vorgänger. Übrigens stieg Linné später um auf den Lehrstuhl für Botanik, Pharmakologie und Naturwissenschaften. Der neue Posten war zwar nicht so lukrativ, aber dafür konnte er sich ganz seinen botanischen Forschungen widmen.

Während die Rudbeckie namensmäßig weitgehend durchfiel, als Gartenpflanze aber zu großem Ansehen kam, machte ein anderer amerikanischer Korbblütler mit einem Kunstnamen von Linné Karriere. Er wollte einem Kollegen aus Deutschland ein Denkmal setzen, dem Professor für Medizin und Botanik in Göttingen. Der hieß Johann Gottfried Zinn, lebte von 1727 bis 1759.

Die wissenschaftliche Taufe der Zinnie, um die geht es also, nahm Linné vor, als Zinn mit 32 Jahren starb, 1759!  Die Zinnie aber kann man sich gar nicht unter anderen Namen vorstellen. Der Name ist uns vertraut.

Ähnlich geht es uns mit einigen englischen Namen, die uns in Fleisch und Blut übergegangen sind. Der Name Forsythie ist, deutsch ausgesprochen, bei uns recht gebräuchlich. Ihn englisch auszusprechen wäre kompliziert. Aber der Namenspatron ist William A. Forsyth, der Direktor der Königlichen Gärten in St. James und Kensington. Oder die Tradescantie! Manchmal trägt sie den komischen Namen Dreimasterblume. John Tradescant war Gärtner von König Charles I. Er lebte im 17. Jahrhundert und brachte 1654 die später Tradescantia virginiana genannte Pflanze aus Nordamerika mit. Wir benutzen den Namen Tradescantie ziemlich leichtfertig für alle möglichen Verwandten, Zimmerpflanzen wie Freilandstauden oder einjährigen Sommerblumen.

 

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
Mehr lesen

Text: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer