Die Rüben vom Wegrand

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Früher hießen sie Umbelliferen, und aus Jux nannten wir sie auch Umbrelliferen. Heute werden sie offiziell botanisch Apiaceae benannt, nach Apium, dem Sellerie. Ob der Sellerie so viele typische Eigenheiten dieser Familie in sich vereint? Man hätte sie auch Daucaceae nach der Mohrrübe oder noch schöner Angelicaceae nach der Engelwurz benennen können.

Dass mir diese Familie der „Selleriegewächse“ gerade durch den Kopf geht, liegt an der Fülle zur Zeit blühender wilder Mohrrüben an den Straßenrändern. Von graziöser Schönheit, laden die Blüten zum genaueren Betrachten ein. Da fällt zunächst auf, dass sie nicht von Bienen, sondern vor allem von kleinen Käfern und Fliegen besucht werden. Dann eine Merkwürdigkeit: Im Zentrum der Dolde sieht man eine Blüte, die schwärzlich oder dunkelrot gefärbt ist. Das gibt zu Spekulationen Anlass, ob diese Blüte nicht der Ursprung des Namens Mohrrübe war. Irrtum! Der Name leitet sich mit großer Wahrscheinlichkeit vom althochdeutschen Wort Moraha ab, so wie auch das Wort Möhre. Es ist belegt, dass die Möhre oder Mohrrübe schon in der Steinzeit gegessen wurde, aber hat man da schon althochdeutsch gesprochen? Übrigens kann man sich sehr gut vorstellen, dass der Wohlgeruch der Wurzel, wie aber auch der Blätter, die Menschen verlockte, Daucus carota in den Speiseplan aufzunehmen. Interessant: auch die jungen Blätter von Giersch haben dieses Aroma!

Vor lauter Begeisterung über die weiße Blütenfülle sollte man die gelben Dolden nicht übersehen, die gleichzeitig blühen. Es sind die Pastinaken, die nicht nur prächtig aussehen, sondern als ganze Pflanze einen würzigen Geruch ausstrahlen. Pastinaken, Pastinaca sativa, sind wie die Mohrrüben zweijährig, bilden im ersten Jahr eine kräftige Rübe als Reserve und blühen dann im zweiten Jahr. Mindestens seit der Römerzeit war diese Rübe ein beliebtes Gemüse und trug schon damals diesen Namen. Mehr noch: man verwendete die Samen als Gewürz, so wie den Kümmel. In den letzten 200 Jahren verlor die Pastinake an Bedeutung, wird aber nun wieder verstärkt angebaut, was vielleicht auch daran liegt, dass sie kaum von Krankheiten und Parasiten befallen wird - und sie schmeckt gut, wenn man sie „mit Biss“ kocht.

Ohne die zahlreichen wunderbaren Gewürz-Apiaceen wäre eine gute Küche gar nicht vorstellbar. Keine Sellerie, keine Petersilie, kein Dill? Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen weiteren Doldenblütler zu sprechen kommen, auf die Süßdolde, Myrrhis odorata. Sie ist von ihren Bedürfnissen her geradezu ein Kontrastprogramm. Frischen, nährstoffreichen Boden möchte sie, auch Halbschatten schadet ihr nicht. Sie blüht nicht im Hochsommer sondern bereits im späten Frühling, zusammen mit den Akeleien, was ein besonders schönes Bild abgibt. Sie ist nicht zweijährig, wie viele andere Doldenblütler, sondern eine ausdauernde Staude. Sie wird älter und kräftiger, wenn man sie nach der Blüte zurückschneidet. Das hat aber auch Nachteile. Man kann nicht auf den halbreifen, noch grünen Samen herumkauen, die ein süßes Lakritz-Aroma haben. Und man verhindert die Ausbreitung durch Samen. Das frische Grün der Süßdolde schmeckt ähnlich wie Kerbel, erinnert aber auch an Annis. Wir haben die Süßdolde deshalb zum festen Bestandteil Grüner Soßen und von Kräutersalaten gemacht.

Um den kleinen Ausschnitt aus der riesigen Welt der Doldenblütler noch ein wenig zu erweitern, nun nach den Zweijährigen und einer ausdauernden Staude eine einjährige Apiacee, die uns in diesem Jahr zum ersten Mal Freude bereitet hat. Es geht um den Strahlen-Breitsame mit dem botanischen Namen Orlaya grandiflora. Mir ist gesagt worden, dass die schöne Orlaya vor allem im Südwesten Deutschlands vorkommt. Aber auch aus Italien wurde von ihr berichtet. Wenn das so ist, dann hat sie mit der Erwärmung auch Chancen, sich in die bislang kühleren Regionen auszubreiten. Alledings bevorzugt sie einen lehmig-kalkigen Boden. Ihre weißen Dolden erscheinen im Frühsommer. Das Besondere der Dolden: die schönen Randblüten sind deutlich vergrößert. Die großen Samen (Breitsame!) sind mit Borsten bewehrt und werden so von Tier und Mensch verbreitet.

All die hier aufgeführten Doldenblütler sind eine Zierde, werden aber mit Ausnahme der Süßdolde nicht als Zierpflanzen, sondern als Nutzpflanzen im Gemüsegarten angebaut. Dort können sie ihre Schönheit aber nur entfalten, wenn man sie zur Samenernte blühen lässt. Für den Ziergarten, für Staudenrabatten und Wildstaudenbereiche gibt es zahlreiche andere Apiaceen, auch solche, die gar nicht so aussehen, wie Astrantien und Eryngien. Aber davon später einmal mehr.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text und Fotos: Christian Seiffert