Vom Zauber des Marünggeli

Text: Antje Peters-Reimann
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer

Lange, bevor es im Garten wieder richtig grün wird, schiebt die Akelei ihre eigentümlich geformten Blättchen aus der noch winterkalten Erde. In Frankreich nennt man die zarte Staude volkssprachlich »bonnet de prêtre«, Priesterhütchen, weil ihre Blüten ein wenig an eine Kopfbedeckung erinnern. Im englischen Sprachraum wird sie hingegen als »Columbine«, als Täubchen, bezeichnet. Und wenn man genauer hinsieht, lassen uns die filigranen Blüten tatsächlich ein wenig an flatternde Tauben denken.

Aufgrund ihres auffälligen Pflanzenaufbaus hat sich die Akelei dem mittelalterlichen Menschen als Symbolpflanze geradezu angeboten. Wegen ihres dreigeteilten Blatts mit je drei Blättern pro Stängel zog man im Mittelalter eine gedankliche Verbindung zur Heiligen Dreifaltigkeit. Aber auch als Marienblume wurde die Akelei angesehen. Daher nennt man sie im schweizerischen Kanton Thurgau bis heute mit dem Kosenamen für Maria, »Marünggeli«, andernorts heißt sie »Handschuh unserer Lieben Frau«. In mittelalterlichen Bildern wird Maria meist mit blauen Akeleiblüten gezeigt, insbesondere dann, wenn sie in ihrer Funktion als Himmelskönigin dargestellt ist. Die Wahl der Farbe Blau kommt dabei nicht von ungefähr. Reines Blau zählt in Mitteleuropa zu den seltensten Blütenfarben, also zu etwas ganz Besonderem. Da lag es nahe, der »besonderen Frau Maria« auch Akeleien in besonderer Farbe zuzuordnen. Die Verbindung zwischen der Farbe Blau und der Himmelskönigin ist relativ einfach zu verstehen. Denn Blau steht für Demut, Treue und das Himmlische - zudem galt Blau auch immer als Schutzfarbe. Und so ist Maria auf mittelalterlichen Bildern in ihrer Rolle als Beschützerin der Menschen besonders häufig mit ihrem blauen Mantel zu sehen, unter dem die Menschen furchtsam Schutz suchen.

Aber auch in der Volksmedizin und im Hexenglauben hatte die Akelei immer ihren festen Platz: Sie stand als Symbol für Sexualkraft, Unbeständigkeit oder verlassene Liebe. Die Akelei war ein wichtiger Bestandteil von Hexensalben und wurde als Aphrodisiakum für Männer angewendet. So sollte sie insbesondere dann helfen können, wenn eine Zauberin einem Mann angeblich eine Impotenz angehext hatte. In seinem Kräuterbuch aus dem Jahr 1613 rät zum Beispiel der Botaniker Tabernaemontanus: »So einem Mann seine Krafft genommen und durch Zauberey oder andere Hexenkunst zu den ehelichen Werken unvermöglich worden war der trinck stätig von dieser Wurtzel und dem Samen er genieset und kompt wieder zurecht«. Selbst bei Verdauungsproblemen, Rheuma, Gicht, Läusen und anderen Hautparasiten schwor man in früheren Zeiten auf die Akelei. Zudem war es manchenorts üblich, zur Bekämpfung von Unfruchtbarkeit Akeleipflanzen ins Bett zu legen. Daher galt es noch bis ins 17. Jahrhundert als äußerst unpassend, einer jungen Frau einen Akeleistrauß zu schenken. Solche Assoziationen haben wir Heutigen glücklicherweise nicht mehr, und so können wir in wenigen Wochen wieder im Garten die hübschen Akeleien pflücken und verschenken, ganz ohne den Beschenkten in Verlegenheit zu bringen!

Antje Peters-Reimann
Antje Peters-Reimann ist Gartenhistorikerin und Journalistin in Essen. Sie hat sich der Geschichte der Gartenkunst verschrieben und berichtet berichtet über bekannte und unbekannte Gärten und ihre Schöpfer und erzählt spannende »grüne Geschichten«!...
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Text: Antje Peters-Reimann
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer