Samen, Saatgut, Agrarmacht

Teil 3

Ein Nachbar in Brandenburg war Kleinbauer. Er besaß ein Pferd, zwei Kühe, einige Schafe. Direkt neben unserem Grundstück baute er in jedem zweiten Jahr Roggen an. Er säte mit der Hand aus der Molle, die er vor seinem Bauch trug. Durch Fruchtwechsel mit Gelber Lupine sorgte er für Bodenverbesserung und ausreichende Stickstoffdüngung. Der Stalldung hat vorn und hinten nicht gereicht. Gedroschen wurde mit einer einfachen kleinen Dreschmaschine, die eine nachträgliche Reinigung des Korns erforderlich machte. Gereinigt wurde mit einer handgekurbelten Windfege.

Die Äthiopier essen als Hauptspeise plinsenähnliche Fladen aus „Teff“, einem der Hirse ähnlichen Getreide (Eragrostis tef). Ich beobachtete die Ernte auf einem Acker, der voller teilweise riesiger Steine lag. Zwischen den Steinen konnte nur mit der Sichel geerntet werden. Im Kreise laufende Ochsen droschen das Korn mit ihren stampfenden Klauen. Zum Reinigen warfen die Bauern das Korn mit Schaufeln in die Luft, während andere mit Ziegenhäuten kräftigen Wind machten.
Solchen Kleinbauern wird man das Land nicht wegnehmen, weil es für eine industrielle Landbewirtschaftung ungeeignet ist. Man wird auch nicht auf die Idee kommen, Teff gentechnisch zu verändern. Teff ist ein auf kleinen Raum begrenztes Getreide, das im Welthandel keine Rolle spielt aber seit alters her im Äthiopischen Hochland angebaut wird.

Der Landraub geht um

Kleinbauern auf guten Böden in nicht zu bergiger Landschaft sind heute dagegen der Gefahr ausgesetzt, um ihr Land gebracht und betrogen zu werden. Statt den Bauern im Rahmen von Bodenreformen eine Vergrößerung ihrer meist unter einem Hektar großen Nutzfläche zu ermöglichen, schieben die Regierungen vieler Länder das Bauernland Großunternehmen zu. So besitzen Internationale Investoren Land in Brasilien, in Indonesien, auf Papua-Neuguinea, im Südsudan (!), in Äthiopien und vielen anderen afrikanischen Staaten. Extrem hohe Landkäufe oder Pachtungen durch internationale Konzerne gibt es in der Ukraine und in Russland mit ihren guten Schwarzerde-Böden. Die industriellen Großagrarier kommen vor allem aus den USA, aus Malaysia, Singapur, China und Indien sowie Großbritannien und den Niederlanden.
Wenn die Agrarchemie und die großen Saatzuchtunternehmen dabei selber nicht unbedingt als Investoren auftreten, so sind sie doch mit ihren Produkten dort voll im Geschäft. Je größer die landwirtschaftlichen Unternehmen, desto höher der Umsatz. Doch die Agrarkonzerne bemühen sich auch, die mittelgroßen Höfe in ihre Abhängigkeit zu bekommen.

Die Weltagrarstruktur

Statistiken sind meistens nicht sehr unterhaltsam, gelegentlich öffnen sie einem aber die Augen. Von der FAO, der Ernährungs- und Agrarorganisation der UN sind folgende Daten veröffentlicht worden: Auf allen Kontinenten zusammen existieren 570 Mio. landwirtschaftliche Betriebe. 500 Mio. Betriebe haben eine Betriebsgröße von unter 50 ha. 72 Prozent der Betriebe besitzen weniger als 1 ha Land. Sie bewirtschaften 8 Prozent der Weltagrarfläche. Dagegen: 1 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe besitzen über 50 ha. Sie bewirtschaften 66 Prozent der Weltagrarfläche!
Spannend ist nun aber, dass der Bedarf an Nahrungsmitteln im Wesentlichen von den Betrieben mit einer Größe von unter 50 ha gedeckt wird. Sie wirtschaften intensiver, ihre Äcker sind ertragreicher als die der Großagrarier. Die FAO schlussfolgert daher mit Recht, dass es darauf ankommt, die Kleinbetriebe zu fördern, um die Ernährung einer weiter wachsenden Weltbevölkerung zu sichern.

Die Höfe der ErdeBetriebsgrößeWeltagrarfläche
72 % aller Höfe unter 1 ha 8 %
12 % 1 - 2 ha 12 %
14 % 2 – 50 ha 14 %
1 % über 50 ha 66 %

Die Macht der Agrarchemie-Konzerne

Dass allein sie die Welt vor dem Hungertod retten zu können, meint dagegen die industrielle Landwirtschaft und wird in ihrem Glauben bestärkt durch 7 oder bald nur noch 4 Agrarchemie-Konzerne. Diese Konzerne beherrschen den Weltmarkt für Agrarchemikalien, also Pestizide und Düngemittel, sie besitzen die Patente der meisten gentechnisch veränderten Pflanzen, sie sind auf dem Wege, den Saatgutbedarf weltweit allein zu decken.
Und das sind die Folgen: 1. globalen Umweltschäden (z.B. Insektenschwund, Vernichtung des lebenden Bodens). 2. Verdrängung der traditionellen Pflanzenzüchtung. 3. Verdrängung lokaler, bodenständiger Sorten. 4. Die Landwirte werden in eine geradezu feudale Abhängigkeit gedrängt. Denn gentechnisch manipuliertes Saatgut kann bzw. darf nicht nachgebaut werden, so wie wir es auch von Hybridsaatgut kennen. Saatgut und die zu verwendenden Pestizide sind verkoppelt. Um ganz sicher zu gehen, ist man dabei, sogenanntes Terminator-Saatgut zu entwickeln. Es wird normal angebaut, das Erntegut aber ist keimunfähig.

Über die Pflanzenzüchtung und ihre extremen Auswüchse demnächst mehr.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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