Mediterrane Verhältnisse

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Ehe mein Mann und ich nach Karlsruhe gezogen sind, erkundigten wir uns auch nach dem Klima, das in der neuen Stadt und Region an der badischen Schnittstelle zur Pfalz herrscht. Es wurden uns "mediterrane Verhältnisse" - zumindest im Sommer - in Aussicht gestellt. Das entzückte uns sehr, weil wir beide absolut hitzeresistent sind ... dachten wir ... und ich mir freilich zutraute, auch für die Dachterrasse die passenden Pflanzen einfach danach aussuchen zu können - wozu habe ich denn schließlich Gartenbau studiert?

Doch wie immer klaffen Vorstellung und Realität auseinander. Das mit den mediterranen Verhältnissen trifft für den allerersten Dachterrassensommer zwar absolut zu, mischt sich aber mit Tropensturmwetterlagen. Wir haben zwei grundsätzliche Wettersituationen: Entweder stürmt es wie verrückt, oder die Sonne brutzelt auf unseren ost-süd-westwärts gelegenen Dachgarten. Es gibt kein Entkommen vor ihren sengenden Strahlen. Und weil mir einmal in Abwesenheit ein Sonnenschirm, mit dem ich Aussaaten schattiert hatte, durch eine leicht verirrte, aber sehr heftige Windböe in den Rosenbogen gekracht ist, und die Klematis und Rosen sich obdessen sehr empörten, sind Sonnenschirme nur dann geöffnet, wenn sie persönlich bewacht werden.

Wir haben uns nun daran gewöhnt, dass wir den Temperaturangaben in den Wetteraussichten für Karlsruhe noch zwei, drei, vier Grad hinzufügen müssen, um die zu erwartende Mittagshitze in unserem Kleinklima richtig einzuschätzen. Mediterran ist das allemal. Aber da das nächste Meer wirklich weit weg ist, bevorzugen wir (trotz einladender Liegestühle) eher einen abendlichen Aufenthalt in unserem Refugium.

Die Pflanzen aber haben keine Wahl, und ich will nun endlich von meinen diversen Anfängerfehlern berichten.

Leidtragende meiner Unbedarftheit waren allen voran die ausgesäten Kapuzinerkressen. Sie keimten und wuchsen in einer eher bewölkten Wetterphase prächtig heran und wurden in größere Kübel zur Lilienunterpflanzung überführt. Noch nie allerdings hatte ich gesehen, dass Sonneneinstrahlung Blätter tatsächlich so schnell verbrennen kann. Es reichte ein Nachmittag in Gluthitze, und die Kapuzinerkressenblätter waren zur sonnenzugewandten Seite hin braun - da half auch keine Salbe mehr.
Und Sonnenstrahlen sind durstig. Sie saugen jeden Tropfen Wasser besser auf als der sprichwörtliche Schwamm und stellen auch eigentlich robuste Gewächse wie Gaura gelegentlich vor Probleme. Dahlien haben ebenfalls immer Durst - vielleicht stehen sie auch einfach in zu kleinen Gefäßen (obwohl diese immerhin 15 bis 20 Liter Erde fassen). Ich werde nie wieder zwei Knollen in ein Gefäß legen.
So richtig Spaß in der Hitze haben hingegen die Ananasblumen (Eucomis), die Abessinischen Gladiolen, Nachtkerzen sowie natürlich Passionsblumen und Oleander. Letzterer (... meine rotblühende Sorte, Stefan hat eine zartgelbe) hat sogar Samen angesetzt - ob eine Aussaat Erfolg bringen wird? Vielleicht gibt es ja in 10 Jahren eine selbst selektierte Oleandersorte 'Karlsruher Red Heat', 'Feurio', 'Badener Mediterranian' oder so im Handel ...

Bis es soweit ist, heißt es täglich abends gießen. Ich habe immer schon gern gegossen; diese Gärtnertätigkeit hat so etwas Gelassenes, Leben Spendendes und für mich ist es der schönste Tagesabschluss überhaupt. Es dauert ja auch nur eine knappe halbe Stunde, ehe ich durch bin. Für mich ist das ein echter Luxus, sonnenliebende Pflanzen so versorgen zu dürfen, dass sie bestens gedeihen. Und selbst Rosen gewöhnen sich so an den mediterranen way of life (ich lerne gerade die wärmeliebenden China-Rosen und frühe Tee-Rosen kennen) ... die Kapuzinerkressen erholen sich im Schatten der Umlaufmauer und stehen im Sommerquartier der Blattkakteen und Cymbidien.

Ich bin total froh, dass wir nun hier leben - es wird zwar noch viel zu lernen und auszuprobieren geben, aber es macht enorm viel Spaß, in mediterraner Hitze Gartenerfahrungen zu sammeln. Das ist schon ganz anders als in Bielefeld ;-)....

Andreas Barlage
Lieblingspflanzen Andreas Barlage ist der Wandervogel unter den Gartenbesitzern. Weil er in seinem Leben viel umgezogen ist, hat er reichlich Erfahrungen an sehr unterschiedlichen Standorten sammeln können.
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Text und Fotos: Andreas Barlage