Gartenschau zum Weglaufen

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Der August ist heuer in unserem Schrebergarten ein besonderer Monat: Man weiß nicht so recht, was man tun soll. Außer Wasser an die Töpfe zu tun. Die Beeren sind geerntet, Kartoffeln und Äpfel brauchen noch, wie auch Grün- und Rosenkohl. Nur die verdammten Zucchini drängeln. Wenn es nicht so eine tolle Sorte (Cocozelle von Tripolis, Bingenheimer Saatgut) wäre, würden sie längst schon nerven. Aber sie ist auch im August noch verschenkbar, was beileibe nicht für alle Zucchini gilt, auch wenn man sie als Sutschini anbietet, wie kürzlich ein Gartenfreund aus dem Verein. Im Reich der Stauden sieht es trotz der Hitze noch ganz ordentlich aus. O.K., Phlox, Hosta und Sanguisorba leiden. Hosta lasse ich kämpfen, der Rest bekommt dann und wann einen Extraschluck. Die Astern (alle Arten) stehen prächtig, die Gräser auch, es geht also (fast) alles wie von selbst. Wir haben sogar Zeit für Ausflüge.

Ein Ausflugsziel im Münsterland ist in diesem Sommer die Landesgartenschau in Bad Iburg. Auf diese Veranstaltung möchte ich hier hinweisen, schon allein aus Gewissensgründen. Bad Iburg liegt am südlichen Teutoburger Wald, der in diesem Abschnitt in Niedersachsen liegt, was insofern von Bedeutung ist, als dass es im Land Niedersachsen mit der Förderung von Gartenschauen etwas kompliziert ist. Das im Einzelnen aufzudröseln, führt hier zu weit, hatte jedenfalls einen sehr kurzen Planungs- und Realisierungszeitraum zur Folge, der in Bad Iburg mit einer Bauzeit von weniger als einem Jahr (!) rekordverdächtig war. Richtig – Sie werden sich als Leser des Gaißmayer-Magazins fragen, wie man denn in dieser Zeit inspirierende, zur Nachahmung oder Weiterentwicklung geeignete Staudenpflanzungen hinbekommen soll – also etwas Gärtnerisches.

Staudenpflanzung? Oder gar die Mehrzahl davon? Inspirierend? Planer und Gartenschaugesellschaft hatten natürlich geahnt, dass man mit Stauden auf keinen grünen Zweig kam und hatten daher einen Teil der Pflanzflächen zuerst mit Zwiebelblumen bestückt. Aus Kostengründen griff man dabei teilweise auf Restposten zurück. Die verblühten Mischungen ersetzte man dann mit „Sommerflor“ – allein das Wort geht wie ein Pflug durch meine Vorstellung von gärtnerischer Beetgestaltung. Jetzt haben also Petunien & Co. die Farb- und Formenregie übernommen. Dazu ist zu sagen, dass diese Pflanzen- und Blütenfolge aus der Not heraus geboren und die einzige Möglichkeit war, überhaupt Farbe ins Spiel zu bringen. Hier ringen einem die Bepflanzungsplaner also ein gewisses Verständnis ab.

Drei Dinge haben mich dann aber regelrecht umgehauen und die muss ich, eben aus Gewissensgründen, hier erwähnen:
Erstens sah man im Bereich der obligatorischen Mustergräber an einer Stelle die Möglichkeit, doch noch ein paar Stauden unterzubringen. Dafür deckte man den Wurzelhals einer alten Blutbuche mit einer ordentlichen Schicht Komposterde an und pflanzte schattenverträgliche Stauden hinein. Ich möchte nicht wissen, wie viele Besucher sich das abgeguckt haben und dann bald feststellen werden, wie sich die Krone ihrer geliebten Buche lichtet. Für diejenigen, die es nicht wissen sollten: Buchen sind ausgesprochen empfindlich gegen Aufschüttungen in ihrem Wurzel- und Wurzelhalsbereich, sie bezahlen es meist mit dem Leben. Wie kann Profis so etwas passieren?

Zweitens fallen die vom Berliner Planungsbüro geplanten langen Staudenbeete auf, die mit dunklem Schotter „gemulcht“ wurden. Kein Scherz, der Planer sprach von Mulch. Da und dort hatten sich die Stauden ganz gut entwickelt, aber über weite Strecke sah man dort das, was alle, die Wörter wie Ökologie, Insekten, Natur oder … Zukunft mehr als einmal von rechts nach links bewegt haben, seit Jahren verteufeln. „Gärtner aller Nationen vereinigt Euch“ hätte man schreien und fleißig Postkarten der „Entsteint-Euch“-Aktion verteilen wollen, auf dass niemand auf die Idee komme, das zu tun, was Gartenschauen im Sinn haben: Nachmachen.

Aber wohin wäre der Ruf gedrungen? Und da sind wir bei Punkt 3: bei den rund zehn Landschaftsgärtnerbetrieben, die im Dunstkreis des Schotters ihre Themengärten gebaut hatten. In einem dieser Gärten habe ich sogar ein paar Stauden entdeckt, ansonsten auch dort Gestein, Holz, Edelstahl in allen Farben und Formen, dazwischen bemitleidenswerte Olivenbäume und Zypressen, die hier den Mittelmeerbotschafter spielen sollen - und ganz sicher nicht wollen. Ein sogenannter Garten bestand aus einem Edelstahlbecken und einem Holzdeck drumrum – da hatten die Kinder wenigstens ihren Spaß. An Kinder wird der Landschaftsgärtner dabei aber wohl kaum gedacht haben, eher an die vermögenden Eltern, die so etwas bezahlen können. Edelstahl ist schick und im Wasser wächst kein Unkraut.

Zurück im Schrebergarten , kam ich dann am blühenden Fenchel vorbei. Daran machten sich Bienen, Wespen und andere Hautflügler zu schaffen. Erschöpft habe ich mich drunter gelegt, die gelben Blüten vor dem dunkelblauen Himmel mit dem summenden Flugverkehr betrachtet. Das hatte auch was von Mittelmeer – hat mich aber nichts gekostet. Hat sich ausgesät.

Stefan Leppert
Der Buchautor, Journalist und Übersetzer Stefan Leppert versorgt uns »Nachrichten aus dem Schrebergarten«, denn er gärtnert nicht nur in einer sehr besonderen Kleingartenanlage.
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Text und Fotos: Stefan Leppert