Eine sanfte Riesin – die Stauden-Aralie

Text: Angelika Traub
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer

Wie kann man eine so wunderschöne, imposante und doch friedliche, keinesfalls wuchernde Großstaude mit dem ungeschickten deutschen Beinamen „Elefantengiersch“ bedenken? Noch der unerfahrenste Gartengrünling weiß: Hier nennt man einen der größten Schrecken im Beet beim Namen: Aegopodium podagraria, besser bekannt als Giersch. Wer ihn im Garten hat, lernt viel über zwei gärtnerische Haupttugenden: Beharrlichkeit und Geduld. Dass nun auch noch die Steigerung des unverschämten Beetunterwanderers existieren soll, wird wohl eher Entsetzen hervorrufen, als die Karriere dieser überaus gartenwürdigen sanften Riesin befördern.

Wer weiß, vielleicht kann mein ehrlich begeistertes Plädoyer für diese malerische und ausgesprochen attraktive Pflanzengestalt das ja ein wenig ändern. Hier im Forsthaus-Garten erfreut sie uns jedenfalls schon viele Jahre und wird immer stattlicher und schöner.

Botanisch heißt die zu Unrecht Verleumdete Aralia californica und hat mit dem üblen Wucherer Giersch rein gar nichts zu tun. Ihr botanischer Name hört sich zwar recht melodisch und sonnig an, aber die anklingende südliche Herkunft sorgt für ein weiteres Missverständnis. Kann denn jemand, der in Kalifornien zu Hause ist, unser mitteleuropäisches Klima verkraften? Aber ja doch, ohne auch nur ein Würzelchen einzubüßen, erträgt die majestätische Stauden-Aralie sogar die rauen Winter des Vor-Sollings mit erheblichen Minusgraden und Kahlfrösten! Zu Winterbeginn verabschiedet sie sich nach Staudenart von ihren oberirdischen Teilen und schlummert dem kommenden Frühjahr entgegen. Nach dem Erwachen, also etwa Ende April, schiebt sie kraftvoll ihre Triebe mit den tatsächlich ein wenig an Giersch erinnernden gefiederten Blättern aus der Erde. Im Sommer erscheinen die sehr dekorativen, elegant überhängenden, bis zu einem halben Meter langen cremefarbenen Doldenrispen – heftig umschwärmt vom begeisterten Insektenvolk. Im Herbst nehmen die nicht weniger reizvollen Fruchtstände mit den schwarzen, ungenießbaren Beeren einen tiefen Brombeerton an, und das üppige Laub färbt sich leuchtend gelb.

In ihrer Heimat findet man die Prächtige meist an eher schattigen, gut mit Feuchtigkeit versorgten Plätzen. Hierzulande ist ein Standort im nicht zu trockenen Halbschatten ideal, aber auch sonnigere Plätze sind möglich, wenn keine längere Sommertrockenheit hinzukommt. Ein guter, fruchtbarer Gartenboden fördert die Entwicklung sehr, aber sie gedeiht auch in weniger gut versorgten Böden durchaus zufriedenstellend.

Aralia californica ist ein herrlicher Solitär, taugt zum Star großzügiger Pflanzungen, kann als spektakulärer Blickfang vor dunklen Hecken verwendet werden, adelt als Vorpflanzung Gehölzensembles, kaschiert unschöne Hintergründe oder unerwünschte Einblicke - und wächst sogar, vital wie sie ist, problemlos in naturnahem Gelände.

Wer sie bei sich aufnehmen will, sollte allerdings bedenken, dass sich das unscheinbare Kind im Topf in wenigen Jahren zu einer ausladenden Riesin entwickeln wird, die trotz sanften Wesens viel Raum braucht, um ihre eindrucksvolle Schönheit zu entfalten.

Angelika Traub
Aus dem Forsthaus | Angelika Traub betreut Redaktion und Lektorat unseres Gartenmagazins. Sie lebt und gärtnert am Rande des Sollings. Im großen Landschaftsgarten mit seinen weitläufigen Staudenpflanzungen und vielen besonderen Gehölzen kann sie ihrer...
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Text: Angelika Traub
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer