Bestandsaufnahme in Eresing

Das war der kälteste März seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen, so heißt es. Er war nicht nur kalt, sondern auch ausgesprochen dunkel, unsere Solaranlage konnte davon ein Lied singen.

Der Vorfrühling hier in Eresing, wir liegen 600 m über den Meeresspiegel, zog sich unglaublich in die Länge, d.h. er wurde oft auf sehr unfreundliche Weise vom Winter unterbrochen. Nehmen wir die Winterlingsblüte, Eranthis hyemalis, als ein Zeichen für den Beginn des Vorfrühlings, so begann dieser am 3. März 2013, auch schon mit einer Verspätung von 10 Tagen.

Heute am Sonntag, dem 14. April, habe ich mir draußen in der Natur angeschaut, ob die Weiden endlich zu blühen begonnen haben. Tatsächlich zeigten die allerersten Kätzchen gelbe Staubgefäße, von Bienen gierig umschwärmt. In gewöhnlichen Jahren findet dieses Ereignis hier zwischen dem 22. Und 25. März statt. Das Jahr hat also eine Verspätung von rund 3 Wochen. Mit der Salweidenblüte endet der Vorfrühling. Der hat in diesem Jahr einen Monat und 10 Tage gedauert.

Wie wirkte sich diese ungewöhnliche Witterung auf die Gartenpflanzen aus? Man konnte in der letzten Woche ein merkwürdiges Miteinander beobachten: Noch blühten Märzenbecher (Leucojum vernum) und Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) und gleichzeitig schon Duftveilchen (Viola odorata) und Lerchensporn (Corydalis). Schon Tulipa polychroma in der Sonne und noch Jasminum nudiflorum. Die letzten Crocus albiflorus blühten, und gleichzeitig Adonis amurensis und Narcissus pseudonarcissus (die Wildart).

Heute am 14. April, wir haben den ersten richtig warmen Tag, vollziehen sich auffällige Veränderungen. Leucojum und Galanthus beenden ihre Blüte. Am Gehölzrand öffnen die ersten Busch-Windröschen ihre Blüten. In der vollen Sonne beginnen die Hyazinthen zu blühen. Das Ganze vollzieht sich so schnell, dass wir noch in der kommenden Woche mit den ersten Kaiserkronen rechnen.

Erstaunlich zurückhaltend sind noch die Forsythien in den Gärten der Nachbarn. Die Forsythienblüte und der Beginn der Stachelbeere-Blattentfaltung sind das offizielle Signal der Phänologen für den Beginn des Erstfrühlings. Eine Forsythie haben wir nicht, bei uns blüht dafür seit zwei Tagen die Kornelkirsche, Cornus mas. Ihr zartes Gelb passt zu den noch etwas zurückhaltenden Frühlingsfarben im Garten. Und, im Unterschied zur Forsythie duftet die Kornelkirsche, und zwar nach Kalmus!

Hinter den Düften des Vollfrühlings stehen die Düfte zur Zeit noch weit zurück, trotzdem kann man schon einige „Duftabenteuer“ erleben. Der Geruch der Kaiserkronen kommt einem entgegengeflogen. Man braucht sich nicht zu bücken. In ein oder zwei Tagen werden so viele Hyazinthen aufgeblüht sein, dass auch ihr Duft durch den Garten zieht. Zum herb-würzigen Duft der Kornelkirsche passt aufregend gut der exotische Duft vom Lerchensporn, Corydalis cava. Das Lieblichste an Duft aber liefert augenblicklich eine Wildtulpenart: Tulipa polychroma. Zu ihr muss man sich aber herablassen, auf die Knie gehen. Dann schenkt sie nicht nur den Tulpen-Grundton, sondern eine ganze Palette wundervoller Nebenklänge.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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